Zeitreisen

Jahr in G.: 2022

Die gute Nachricht: in diesem Jahr waren beide Kinder gesund (anders als 2021). Der wilden Silvester-Party stand also nichts im Weg. OK, Spaß bei Seite. Wilde Silvesterparties wird es wohl erst in einigen Jahren wieder geben, aber das ist auch OK so. Dafür gab es selbst belegte Pizza und kaltes Bier und das war auch schön.

Das Jahr war anstrengend, großartig, lehrreich, lang und kurz zugleich und ist defniitiv schwer in Worte zu fassen. Ich versuche es trotzdem – natürlich in G.:

Geräumt: Jetzt wohnt hier jemand anders. Gemeint ist das Haus meiner Eltern, das in diesem Jahr verkauft wurde. Zwar ich schon seit zwei Jahrzehnten nicht mehr dort gewohnt, trotzdem lagerten hier noch Dinge wie meine erste (und einzige) Stereoanlage (erworben mit 14 Jahren vom Kommunionsgeld), bergeweise Bücher, alte Briefe, Fotos und natürlich zahlreiche Erinnerungen. Mein altes Kinderzimmer im Keller, das inzwischen nicht nur von mir als Lagerraum genutzt wurde, zu räumen war nicht einfach, hat aber irgendwo auch gut getan. Trotzdem: dieser Anker an meine Jugend ist irgendwie weg. Vielleicht wird es damit endgültig Zeit für die Midlife-Crisis?

Gelesen: An die 52 Bücher von 2018 komme ich längst nicht mehr ran. Aber, vor allem Hörbücher sei dank, halte ich mich weiter stabil in den 20ern. 2022 waren es immerhin 26 Bücher, also im Schnitt zwei pro Woche. Trotzdem wäre manchmal etwas mehr Zeit um Lesen schön.

Jahres-Bücher-Highlights? Gut gefallen haben mir die drei Sörensen-Romane von Sven Stricker und mit Abstrichen auch das neue Buch von Andreas Eschbach, “Freiheitsgeld”. Auf Platz 1 würde ich aber Jan Weilers “Markisenmann” setzen. Eine eigentlich unspektakuläre Geschichte in einem herrlich tristen Setting mit einer grandiosen Auflösung zum Schluss. unter den gelesenen Sachbüchern haben mir “Die Wirecard-Story” von Melanie Bergermann und Volker ter Haseborg, “Acht Tage im Mai” von Volker Ullrich und “Das einzige Buch, dass Du über Finanzen lesen solltest” von Thomas Kehl und Mona Linke besonders gut gefallen.

Geschrieben: Seit der Pandemie schreibe ich wieder regelmäßig. Also nicht nur hier und/oder für mich, sondern auch darüber hinaus. Das heißt: immer dann, wenn die Kinder schlafen und ich mich selbst entscheide, auf ein oder zwei Stunden Schlaf zu verzichten. Immerhin: zwei Manuskripte warten nun auf die Überarbeitung und ich genieße jede Minute, die ich dafür aufbringen kann.

Gereist: Dieses Jahr nicht ganz so einfach. Der geplante Wohnmobil-Kurztrip durch Deutschland fiel dank einer defekten Treibstoffleitung kurzfristig ins Wasser (ins Dieselöl), die Alternativtour musste ich wegen kranker Kinder nach einer unruhigen Nacht in Bremerhaven ebenfalls abbrechen. Gut, dass es noch die traditionelle Ostfrieslandreise gab. So ganz ohne Nordsee oder Meer ist das Jahr schließlich nicht vollständig. Statt nach Hooksiel ging es dieses Mal nach Bensersiel – für alle mit (kleinen) Kindern eine klare Empfehlung. Ohne Familie war ich außerdem einige Tage in Frankfurt, wo zufällig gerade der Iron Man stattfand. Deswegen wäre ich zwar sicher nicht dorthin gefahren, die Atmosphäre in der Stadt war trotzdem toll und irgendwie stand ich am Ende sogar beim Einlauf auf der VIP-Tribüne. Dass es das gesamte verlängerte Wochenende bestes Wetter war, tat sein übriges.

Genossen: Warum in die Ferne schweifen … Die Kita-Schließzeit haben wir in diesem Jahr bewusst für einen Urlaub zuhause genutzt. Dienstlich gesehen waren drei Wochen Urlaub ohnehin nicht machbar und ich bin jede Woche an ein oder zwei Tagen ins Büro, die übrige Zeit haben wir aber intensivst für Freibad und Badesee (bei Sonne), Museum (bei weniger Sonne) und Co. genutzt. Großer Spaß und vielleicht sogar entspannter als eine große Reise. Wobei auch die schon wieder angedacht ist …

Gekraxelt: Kinderland. Kinderparadies. Die Namen unterscheiden sich, das Konzept bleibt das gleiche: Man nehme eine ungenutzte Lagerhalle in irgendeinem Industriegebiet, baue Klettergerüste, Bällebäder, Trampoline, eine Gastro und allerlei weitere kostenpflichtige Extras rein, fertig ist die Müde-Mach-Maschine aka Indoor-Spielplatz für Kinder und Eltern.

Eher zufällig im Rahmen des Sommer-Zuhause-Urlaubs entdeckt haben sich diese Indoor-Spielplätze für uns besonders an Regentagen bewährt. Nachteil: die teilweise ziemlich verschachtelten Kletteraufbauten sind eindeutig für Kinder, nicht für Erwachsene gemacht. Will aber auch die noch-nicht-Zweijährige schon klettern, muss man eben auch als Mensch jenseits der 120 Zentimeter hier hochkraxeln. Ganz billig sind die Hallen auch nicht, können aber an manchen Tagen durchaus den Familienfrieden retten.

Gehört: Hier muss ich wohl mit zweierlei Maß messen: was ich ständig gehört habe – und was ich gerne, aber viel seltener gehört habe.

Ständig gehört habe ich die Titelmelodien von: Feuerwehmann Sam, Bibi und Tina, Peppa Wutz und vielen, vielen anderen lustigen Hörspielen, die, Alexa sei dank, bei uns im Wohnzimmer in Dauerschleife laufen. Dabei finde ich es durchaus beeindruckend, wie souverän meine gerade erst vier Jahre alt gewordene Tochter mit amazons Stimmerkennungssoftware umgeht.

Loben muss ich sie allerdings auch für ihren Musikgeschmack: Sitzen wir im Auto, hört sie am liebsten Bruce Springsteen (No Surrender). Der fast 40 Jahre alte Song hat es so doch tatsächlich auf Platz 2 meiner spotify-Jahrescharts geschafft. Die übrigen Plätze: 1. The Dawes, Coming back to an man, 3. Frank Turner, I still believe, 4. Robert Plant, 29 Palms, 5. Frank Turner, Photosynthesis.

Gewachsen: Ich nicht mehr, vielleicht sogar eher im Gegenteil (ab wann geht das mit dem Schrumpfen im Alter eigentlich genau los?). Meine beiden Mädels dafür um so mehr. Das gilt im übrigen nicht nur körperlich. Wenn ich höre, wie gerade der Wortschatz meiner noch nicht Zweijährigen explodiert, komme ich aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Gleiches gilt für die seit kurzem Vierjährige, die inzwischen ihren Namen schreibt und sich in der Bücherei über Blitze informiert (gut, hier muss ich noch vorlesen). Vatersein ist durchaus anstrengend, aber es ist auch großartig, wenn man sieht, wie diese beiden kleinen Menschen zu kleinen Persönlichkeiten heranwachsen. Wer mehr möchte, die geballte Ladung Papa-Content gibt es hier.

Gelernt: Das Leben kann sehr kurz sein. Im letzten Jahr und in den ein, zwei Jahren davor habe ich mich von mehreren Menschen verabschieden müssen, die mir vielleicht nicht (mehr) unbedingt nahe standen, die ich aber durchaus als langjährige Bekannte bezeichnen würde. Menschen, die ich teilweise als Jugendlicher kennengelernt habe, von denen einige, wie ich, kleine Kinder hatten und die viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden.

Gebloggt: Elf Mal. Ich würde sagen, das ist ausbaufähig. Wobei ich mich manchmal frage, ob das Blog an sich nicht ohnehin tot ist und nur noch in Form von Firmenblogs am Leben erhalten wird. Aber mir macht es nun einmal Spaß und gelesen wird es auch noch. Also wird es auch 2023 weitergehen.

In diesem Sinne – danke an alle, die mich immer noch lesen!

PS: Das Bild zu diesem Beitrag habe ich in Wuppertal aufgenommen, wo ich über Weihnachten war. Es ist der Blick von den Wuppertaler Südhöhen (Cronenberg) in Richtung Solingen.

PPS: Hier geht es zu den älteren Jahresrückblicken in G. von 201220142015201620172018, 2020 und 2021 (2019 gab es keinen Rückblick, da wir gleich zum 1. Januar 2020 in das Abenteuer Elternzeit in den USA gestartet sind. Warum mir 2013 durchgegangen ist, weiß ich selbst nicht mehr.)

 

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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