Beziehungsweise Gedankenwelten

Wochenend-Umzug

Ich hätte nie gedacht, dass es für I. so viel leichter ist als für mich. Dabei ist das eigentlich ganz logisch, wenn man einmal darüber nachdenkt

Gestern haben wir I.s Wohnung in Neu-Ulm übergeben. Das letzte Mal aus dem Fenster auf das Haus gegenüber geguckt, das letzte Mal die Tür hinter uns zugezogen, das letzte Mal im Fahrstuhl auf “-1” gedrückt, was in diesem Teil von Bayern wohl ein anderer Name für Erdgeschoss ist. “Wir müssen aufpassen, dass die Tür nicht zufällt, denn dann kommen wir nicht mehr rein”, erinnerte I. mich, während ich die letzten Taschen und Tüten durch die Haustür in Richtung Auto trug. Natürlich: Die beiden Haus- und Wohnungsschlüssel lagen nun auf der kleinen Anrichte neben dem Herd.

Über drei Jahre hat I. in der Wohnung in dem Neubaugebiet mit dem klingenden Namen “Wiley” gewohnt. Von hier ist sie morgens zur Arbeit gefahren und abends nach Hause gekommen. Sie hat hier Geburtstagskarten geschrieben und ihre Steuererklärung gemacht. Sie hat Bewerbungen geschrieben, telefoniert, Rechnungen bezahlt, geschlafen. Die Wohnung in Wiley war ihr Zuhause, in guten wie in schlechten Zeiten.

Ich dagegen war eigentlich nur in guten Zeiten hier. Ich habe mich freitagabends ins Auto gesetzt – die A8 kann ich inzwischen vermutlich blind fahren – und bin nach Neu-Ulm gedüst. Egal, was mich den Tag oder die Woche über beschäftigt hat, nach eineinhalb, zwei oder auch drei Stunden Fahrt hatte ich das meiste davon irgendwo auf der Strecke hinter mir gelassen. Neu-Ulm hieß für mich Loslassen – Wochenende eben. Mit der Wohnung in Wiley verbinde ich daher fast nur positive oder positiv verklärte Erlebnisse. Kein Wunder also, dass es I. leichter fiel, die Tür hinter sich ins Schloss zu ziehen als mir.

Andererseits freue ich mich schon jetzt auf all die neuen positiven Erlebnisse, die nun in Karlsruhe auf uns beide warten. Und darauf, dass mit der freitäglichen Fahrt nach Neu-Ulm auch die sonntägliche Rückfahrt entfällt: kein Wochenend-Ende mehr schon am Sonntagnachmittag, kein stockender Verkehr zwischen Ulm-West und Merklingen und endlich die Möglichkeit, auch an einem Dienstag etwas gemeinsam unternehmen zu können.

In diesem Sinne, genießen wir doch einfach die Woche!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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