Gedankenwelten Papawelten

Doppelt Papa oder: Willkommen im Paralleluniversum der Kinder-Versumpfung

Kürzlich hat mir ein Bekannter einen Link zu einer Fernsehserie geschickt. Sei ganz interessant, könne ich mir ja mal anschauen. Ich habe mich freundlich bedankt – und den Link gelöscht. Ich würde sowieso keine Zeit finden, die Serie zu schauen. Zumindest nicht in den nächsten paar Jahren.

In der Wissenschaft streiten sich noch über die mögliche Existenz von Paralleluniversen. Dabei sind die doch längst da! Hier, mitten unter uns. Das Universum der Kinderlosen – und das derer, die Kinder haben. Allerdings sind beide Universen so perfekt von einander getrennt, dass man sich als ein Bewohner des einen Universums kaum noch vorstellen kann, dass das andere überhaupt existiert.

Der Bekannte hat keine Kinder. Ich weiß nicht viel darüber, wie er seine Freizeit verbringt. Vermutlich unter anderem mit dem Schauen von Fernsehserien.

Ich habe keine Zeit für Fernsehserien. Das heißt, natürlich hätte ich Zeit, wenn ich wollte. Aber die würde mir dann für die Dinge fehlen, die mir wichtiger sind.

Die letzte Serie, die ich geschaut habe, war, glaube ich, “Stranger Things”, weil ich die wirklich gut fand. Die meisten Folgen habe ich trotzdem geschaut, während ich im Fitnessstudio auf dem Laufband oder auf dem Crosstrainer trainiert habe. Sport ist mir wichtig, Fernsehserien nur, wenn sie mich nicht von anderen Dingen abhalten.

Wenn man (kleine) Kinder hat, ist freie Zeit etwas sehr kostbares. Man tut gut daran, sich gut zu überlegen, wie man sie nutzen möchte. Womit ich nicht sagen möchte, dass ich freie Zeit meinen Kindern vorziehe. Freie Zeit ist nur einfach deshalb besonders kostbar, weil sie in meinem Universum so selten ist.

Vermutlich würde das auch mein Bekannter unterschreiben. Auch seine freie Zeit ist kostbar. Er arbeitet in Vollzeit, hat Verpflichtungen, Hobbies. Trotzdem behaupte ich aus eigener Erfahrung: er hat keine Ahnung, wie kostbar Zeit sein kann.

Wenn ich heute an früher zurückdenke, als ich noch keine Kinder hatte, frage ich mich, was ich eigentlich mit der ganzen freien Zeit gemacht habe. Allerdings mache ich das gar nicht so oft, das mit dem Zurückdenken. Vielleicht, weil mir dafür die Zeit fehlt. Vielleicht auch, weil ich längst so sehr in meinem Universum versumpft bin, dass ich einen kurzen Moment fast wütend auf den Bekannten war.

Kann er sich nicht denken, dass ich für seine Serie, die ja ohnehin nur “ganz interessant”, also nicht mal “herausragend” oder “unbedingt sehenswert” ist, keine Zeit habe?

Nein, kann er nicht. Weil auch er versumpft ist in seinem Universum.

Er kann sich nicht ausmalen, wie das ist, mit dem Elternsein. Wie sollte er auch. Vorstellen kann man sich das nur, wenn man es aus eigener Anschauung kennt. Das sage ich ohne Vorwurf, völlig wertneutral.

Ich erinnere mich gut, wie ich mich über junge Eltern gewundert habe, als die plötzlich statt zu wilden Geburtstagsparties plötzlich nur noch zum Brunch einluden. Das sei einfacher, wegen der Kinder, ich verstehe das schon. Tat ich nicht.

Oder wie es plötzlich nur noch darum ging, was der kleine Friedrich gestern gemalt oder die kleine Ida vorgestern gebastelt hatte (Namen von der Redaktion geändert). Alles andere schien auf einmal zweitrangig.

Auch das habe ich damals nur bedingt verstanden. Da war ich ja noch im anderen Universum.

Ich habe allerdings gehört, dass die Universen mit zunehmenden Alter der Kinder wieder durchlässiger werden, sich wieder annähern. Ich bin gespannt.

In diesem Sinne, ein Gruß ins Paralleluniversum!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert