„Ist es nicht ein bisschen zu früh für eine Midlife-Crisis?“
„Wieso – was wissen Sie denn, wie alt ich werden will?“
Ich weiß nicht mehr, wo ich diesen Dialog gelesen habe. Ich musste aber daran denken, als ich letztens im Supermarkt an der Kasse stand. Die Schlange war nicht sehr lang. Nur wenige Leute standen vor mir. Ein Paar, dem Anschein nach beide Studenten, die am Abend offenbar zusammen kochen wollten. Ein circa dreißigjähriger Mann mit Aktentasche und einem einzelnen Salatkopf auf dem Kassenband. Eine junge Frau mit gefärbten Haaren und einem viel zu starkem Parfüm. Alle hatten eines gemeinsam: sie hielten zum Zahlen ihr Handy (in einem Fall: ihre Smartwatch) an das Kartenlesegerät.
Ich könnte auch mit meinem Handy bezahlen. Technisch ist alles dafür bereit. Ich tue es nur nie. Fast nie. Zwei Mal habe ich es versucht, an einem Kassenautomaten, als niemand hinter mir stand. Beide Male hat es problemlos geklappt. Trotzdem zahle ich am liebsten ganz klassisch: mit Karte. So auch an diesem Tag an der Supermarktkasse. Ich kam mir dabei furchtbar altmodisch vor.
Früher musste ich innerlich manchmal schmunzeln, wenn vor mir an der Kasse eine ältere Frau oder ein älterer Herr dem Menschen an der Kasse Scheine und Münzen in die Hand zählte. Mein Opa war so jemand. Einmal im Monat ging er zur Bank und holte ab, was für den Monat an Geld eingeplant war. Alles in bar. Entsprechend wurde auch beim Wocheneinkauf in bar bezahlt (wobei diesen Part natürlich meine Oma übernahm). Bei kleinen Summen wurde auch gerne mal dem Kassierer oder der Kassiererin das Kleingeldfach des Portemonnaies vor die Nase gehalten.
Die vermeintlich jungen Leute von heute nehmen zum Einkaufen nicht mal mehr ihr Portemonnaie mehr mit. Oft haben sie gar keins mehr. Wozu sowas mitschleppen, wenn man doch alles im Handy hat – und das ist sowieso am Körper festgewachsen oder scheint fast so.
Ob diese Menschen über mich schmunzeln, wenn ich meine Geldbörse aus der Tasche friemel, nach der richtigen Karte angle und diese (immerhin!) an das Lesegerät halte? Beim Thema bezahlen war das tatsächlich der letzte Schritt Evolution, den ich noch mitgegangen bin: vom Reinstecken zum Ranhalten.
In den 1950er Jahren und teilweise noch darüber hinaus war die Jeans ein Symbol für Widerstand. Ein unmögliches Kleidungsstück, zumindest in den Augen vieler älterer Menschen.
Heute rümpfe ich – innerlich zumindest – die Nase, wenn ich jemanden in Jogginghose außerhalb seiner (oder ihrer) Sofaecke sehe. Ich verstehe nicht, wie sich die heutigen Teenager und Twens so ernsthaft vollständig, ja sogar „cool“ angezogen fühlen können. Für mich ist die Jogginghose etwas, das ich zuhause trage, aber nicht bei der Arbeit, bei einem Date oder wenn ich in die Kneipe gehe.
Aber bin ich mit dieser Einstellung vielleicht genau so ein konservativer alter Sack, wie es die Jeans-Verächter im Deutschland der 1950er Jahre waren?
Vielleicht wird es wirklich Zeit, dass ich mich ernsthaft mit dem Thema Midlife-Crisis auseinandersetze.
In diesem Sinne, mit Karte bitte!