Desillussionierend Tresenweisheiten

Wiedererkennungswert

Wenn man T. fragt, bin ich das nicht. Zumindest Bild 1 und 2 ist jemand anders. Dieser jemand hat sich heimlich in mein Leben geschlichen und dafür gesorgt, dass er statt mir im Bild war, wenn ich fotografiert wurde. Das Unheimliche daran: Er hat das so geschickt gemacht, dass es mir all die Jahre nicht mal aufgefallen ist.

Selbst bei Bild 3 plagen mich inzwischen Zweifel. Gut, das Foto habe ich gerade höchstpersönlich mit der Webcam meines MacBooks gemacht. Aber war ich wirklich das Motiv? Bis vor kurzem war ich ja auch sicher, auf den anderen beiden Fotos abgebildet zu sein. Genauer gesagt: bis Sonntagabend war ich sicher.

Sonntagabend habe ich T. einige Bilder von meiner Rucksack-Weltreise vor inzwischen siebeneinhalb Jahren gezeigt. Das mittlere Foto stammt aus dieser Zeit. Es wurde im Dezember 2004 in Argentinien aufgenommen. Ebenso ein weiteres Bild, das ich auf Rücksicht auf weitere abgebildete Personen hier nicht veröffentlichen werde. “Das bist doch nicht Du!”, so T.’s spontaner Ausruf. Ich bin kurz davor, dem zuzustimmen.

Ich glaube, jeder von uns hat ein Bild von sich selbst im Kopf. Geprägt wird das vom täglichen Blick in den Spiegel, aber eben auch von Fotos, die im Laufe eines Lebens von einem gemacht werden. Das Selbstbild hinkt also fast zwangsläufig der Realität hinterher. Mal ganz abgesehen davon, dass wir uns auch im Spiegel anders ansehen als es jemand anders uns wahrnimmt.

Die drei Bilder decken den Zeitraum von ziemlich genau zehn Jahren ab. Ich irgendwann im Frühling 2002 in der Türkei, ich 2004 auf Weltreise und ich vor zehn Minuten. So nebeneinander betrachtet muss ich zugeben: T. hat Recht. Drei gänzlich unterschiedliche Personen. Ich bin gespannt, wie das die nächsten zehn Jahre weitergeht!

In diesem Sinne, ich gehe jetzt ins Bett … Schönheitsschlaf.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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