Vielleicht ist Social Media Schuld. Vielleicht folge ich auch einfach nur den falschen Menschen. Muss man sich wirklich ständig selbst optimieren? Öffentlich to-do-Listen schreiben und am besten auch gleich abhaken, Laufstrecken (und -Zeiten) in die Welt posaunen, produktiv sein, aktiv sein, andauernd an sich selbst und seinem Leben schrauben? Wann hat das angefangen – und wann hört es wieder auf?
Es gibt Worte, die ich in diesem Zusammenhang gar nicht mehr hören oder lesen kann. Bucket-List ist so eines. Ich kann mich noch erinnern, als man von bestimmten Reisezielen einfach nur geträumt hat. „Ach, Südamerika, da müsste man auch mal hin.“ Heute sagt man: „Bolivien, Brasilien und Argentinien, ja, die stehen auch auf meiner Bucket-List“.
Ursprünglich umschreibt der Begriff Bucket-List eine Liste mit Dingen, die man vor seinem Tod gesehen oder getan haben möchte. Eine schöne Sache eigentlich. Heute scheint das Wort, für das es keine wirkliche deutsche Entsprechung gibt, diese Bedeutung verloren zu haben. Da wird aus der Bucket-List eine schlichte to-do-Liste, die sich in die tausend weiteren to-do-Listen auf dem Schreibtisch einreiht. Es geht nur noch darum zu zeigen, dass man selbstverständlich noch viel vor hat. Je exotischer diese Vorhaben, desto besser, verleihen sie dem Bucket-List-Schreiber doch gleich zweierlei: 1. die Aura eines enorm Beschäftigten mit noch mehr Plänen, 2. Selbst wenn man noch nicht über einen Pauschalurlaub am Ballermann auf Mallorca hinausgekommen ist, soll jeder wissen: hier schlummert ein echter Welten-Entdecker!
Doch auch Weltenentdecker müssen natürlich essen und trinken. Dabei werden sie nicht müde, zu betonen, dass sie selbstverständlich gesund essen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber muss es gleich mit diesem missionarischen Eifer sein?Als ich ein Teenager war, galt es als cool, am Wochenende möglichst lange und möglichst intensiv feiern gewesen zu sein. Die ganz Harten kamen hin und wieder sogar mittwochs mit Kater in die Schule, weil dienstags immer Party an der örtlichen Uni war. Heute dagegen posten selbst (oder gerade?) junge Menschen sogenannte Abendroutinen, die vor allem daraus bestehen, dass sie Früchte nach Farbe und Größe in Schüsseln – „Bowls“ – sortieren, bevor sie noch ein Stündchen (oder zwei) arbeiten oder schon mal die to-do-Liste für den Folgetag aufschreiben. Oder aufschreiben, wie man die besten to-do-Listen aufschreibt.
Es gibt inzwischen unzählige Bücher, die versprechen, uns zu einem besseren Menschen zu machen. Besser heißt in diesem Zusammenhang: effizienter, schlauer, zielgerichteter, und so weiter. Die Frage ist allerdings: brauche ich das?
Versteht mich nicht falsch: ich finde es toll und wichtig, an sich zu arbeiten. Es macht mir auch nichts aus, abends noch die eine oder andere berufliche Mail zu schreiben oder mich sonstwie mit meiner persönlichen Entwicklung oder mit meinem Job zu beschäftigen. Das macht mir sogar Spaß. Aber eben nicht nur. Und vor allem: nicht andauernd öffentlich.
Ich glaube einfach nicht, dass der letztliche Sinn des Lebens ist, es so optimiert wie möglich zu nutzen. Zum Leben gehört auch das Feierabendbier. Der ungeplante Müßiggang; etwas zu tun, was nirgendwo hin führt. Denn wenn jemand sich andauernd selbst optimiert, sagt der sich nicht andauernd auch: Du bist nicht gut genug. Und das kann doch eigentlich auch nicht das Ziel der Sache sein, oder?
In diesem Sinne, Selbstoptimierung, ja gerne, aber nicht ohne mein Feierabendbier!