Desillussionierend Frauen

Weihnachtswarten

Komisch war es erst, wenn ich bei ihr war. Meist hatte ich mich schon Tage vorher auf sie gefreut. Dabei wusste ich eigentlich nie genau, was ich mir eigentlich von dem Treffen erhofft hatte. Sie hatte mir gefehlt. Seltsam war nur, wenn ich bei ihr war, fehlte sie mir immer noch.

Vorfreude ist die schönste Freude. Das bekommt man als Kind beigebracht. Eltern benutzen diesen Spruch am Weihnachtsnachmittag, wenn der Nachwuchs die Bescherung am Abend nicht abwarten kann. Und tatsächlich sind die erhofften Geschenke dann am schönsten, wenn sie zwar nah, aber noch unerreichbar unter dem Christbaum liegen.

Das tolle an den bunten Päckchen ist, dass man kann alles mögliche in sie hinein sehen kann. Auch die Vorstellung, mit dem Inhalt zu spielen, ist meist viel schöner, als das tatsächliche Spiel. Vielleicht war es bei ihr nicht anders? 

So lange ich nicht bei ihr war, war sie die optimale Projektionsfläche für das, was ich mir gewünscht hatte. Sie war die perfekte Frau für mich. Trafen wir uns allerdings, verblasste das Gedankenbild. Was blieb war eine Frau, die ich zwar sehr gerne mochte, bei der ich aber zugleich wusste, dass niemals mehr aus ihr und mir werden würde.

Gerne hätte ich mich in sie verliebt, so wie ich es in Gedanken hundert Mal getan hatte. Genau das war es schließlich, was ich mir die ganze Zeit über vorgestellt hatte. Nur wollte das in der Realität einfach nicht funktionieren. Es blieb dabei: Sie war bei mir, und gleichzeitig vermisste ich sie. Ein komisches, irgendwie surreales Gefühl.

Heute weiß ich, dass ich damals einfach nur einsam war. Man sollte meinen, eine solche Erkenntnis hilft, zukünftig klüger zu sein. Leider hat mir auch hier die Realität einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich kann nicht anders: Sie fehlt mir.

In diesem Sinne, nicht jede Wahrheit steht zwischen den Zeilen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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