Papawelten

Sechs Monate doppelt Papa oder: Warum ich (k)ein Lieblingskind habe

Sie röhrt, sie kreischt, sie schreit – und hat offenbar den größten Spaß daran, welche unterschiedlichen Töne sie erzeugen kann. Eindeutig wird sie, wenn sie Hunger hat. “Mam!” ruft sie dann, manchmal mit leicht forderndem Unterton. Allerdings bilde ich mir ein, auch schon ein “Pap” gehört zu haben. Kind Nummer zwei scheint da ganz nach ihrer großen Schwester zu kommen. Auch die entdeckte um den sechsten Monat rum zunehmend ihre Stimme und setzte sie begeistert ein.

Seit einem halben Jahr bin ich nun Vater nicht nur von einer, sondern von zwei Mädchen. Ich liebe sie beide über alles, die Kleine genauso wie die Große. Und doch ist da etwas anders als vor knapp zwei Jahren, als meine Ältere so alt war wie ihre Schwester jetzt: ich muss meine Zeit aufteilen. Oft geht das zu Gunsten der Älteren und zu Lasten von der jüngeren Tochter. Die isst zwar begeistert Brei (und alles, was sie sonst in die Finger bekommt, und was irgendwie essbar scheint), wird aber vor allem noch gestillt. Das kann ich nun mal nicht. Wird die eine gestillt, beschäftige ich die andere. Der gefällt es.

Überhaupt bin ich bei der Älteren, zweieinhalb Jahre alten Tochter gefragter bin denn je. Wage ich es, doch einmal die Kleine durch die Wohnung  zu tragen oder beschäftige mich sonst mit ihr, kommt von meiner Erstgeborenen gerne der Satz: “Leg sie da hin, dann können wir spielen gehen.”  Als ich zu erklären versuchte, dass die kleine Schwester noch etwas klein sei, um ganz alleine zu sein, fand meine Erstgeborene schnell eine pragmatische Lösung: rasch schleppte sie ihren Stoffesel herbei, stellte ihn vor mich hin und erklärte mit ernster Miene: “Oslik passt auf sie auf.”

Natürlich musste ich in diesem Moment erstmal schmunzeln und war auch ein bisschen stolz, wie lösungsorientiert mein kleines Mädchen schon zu denken vermag. Andererseits tat sie mir in diesem Moment auch sehr leid. Über zwei Jahre lang war sie gewohnt, ihren Papa exklusiv zu haben. Jetzt soll sie ihn auf einmal teilen. Natürlich ist das für sie nicht einfach – und für mich auch nicht.

Ich liebe es, mit meiner Großen am Wochenende oder abends von Spielplatz zu Spielplatz zu ziehen. Ob dabei die Sonne scheint oder ob es regnet, ist ihr wie mir normalerweise egal. Wozu gibt es Matschhosen. Langweilig wird es dank der hohen Spielplatzdichte in unserem Viertel sowieso nicht. Drei, manchmal auch vier Stunden am Stück unterwegs sein, sind kein Problem für uns. Wir sind gut aufeinander eingestellt, haben unsere Routinen und Abläufe. Ich genieße diese Zeit sehr und meiner Tochter scheint es ähnlich zu gehen.

Allerdings heißt das aber auch, dass ich in dieser Zeit nichts von meiner zweiten Tochter mitbekomme. Zwar kommt die manchmal für ein, eineinhalb Stunden mit, was ich großartig finde. Ich spüre aber auch, dass das meiner Ältesten nicht gefällt. Ich bin dann nicht zu 100 Prozent bei ihr, bin nicht so flexibel und nicht so schnell zur Stelle, um sie vom hohen Gerüst zu retten, auf der Schaukel “bis zum Himmel” anzuschubsen oder ihren Sandkuchen zu kosten.

Die Balance zu finden, ist nicht immer einfach. Bei Kind Nummer eins habe ich viel mehr mitbekommen als es mir bei meiner zweiten Tochter nun möglich ist. Ein Stück weit ist es nun ein entweder-oder, was ich nicht immer aufzulösen vermag.

Zwar hat es mich selbst überrascht, wie mit der Geburt des zweiten Kindes plötzlich auch mehr Liebe zur Verfügung stand. Ich hätte das anfangs nie für möglich gehalten. Noch mehr? Geht doch gar nicht. Aber es geht. Es ist, als hätte irgendwer heimlich den Raum verdoppelt, der für Vatergefühle zur Verfügung steht. Was er (oder sie) leider nicht verdoppeln konnte, ist die Zeit, die mir für die Kinder zur Verfügung steht.

Was mich an der Stelle tröstet: die Kleine zumindest kennt es gar nicht anders. Die große Schwester war schließlich schon da, als sie auf die Welt kam. Bis jetzt scheint sie sich über keine Aufmerksamkeit mehr zu freuen als über die ihre. Und als jemand, der selbst ein großer Bruder ist, weiß ich: die Große wird ihre Rolle auch noch finden und dann auch zu genießen wissen. Dass die Kleine bei niemandem so lacht wie bei ihr macht sie schließlich schon jetzt furchtbar stolz.

In diesem Sinne, den restlichen Papa-Content findet Ihr hier!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert