Papawelten

Doppelt Papa oder: Warum ich manchmal neidisch auf die Kinderlosen bin

Man sagt ja, dass Menschen ohne Kinder niemals verstehen können, was es bedeutet, Kinder zu haben. Dem würde ich zustimmen. Zumindest ich hatte, rückblickend gesprochen, keine Ahnung. Natürlich hatte ich die eine oder andere Idee. Aber wie sehr Kinder das eigene Leben verändern würden, das überstieg mein Vorstellungsvermögen. Tut es eigentlich noch heute. Zwar habe ich mich an den Alltag zu viert inzwischen ganz gut gewöhnt. Dass aus einem Kleinkind und einem Baby aber mal Schulkinder, Teenager und erwachsene Menschen werden, die dann immer noch meine Kinder sind, kommt mir weiter reichlich surreal vor und nicht wie etwas, dass in den nächsten Jahren tatsächlich passieren wird.

Trotzdem kann ich mir ein Leben ohne meine Kinder nicht mehr vorstellen. Wie warm mir ums Herz wird, wenn meine Zweijährige mich umarmt und “Papa, ich liebe Dich” sagt, oder was für ein Gefühl es ist, wenn das Baby bei mir auf dem Arm liegt und dann den Kopf auf meine Brust legt,  um kurz darauf einzuschlafen, kann ich einem Kinderlosen nicht beschreiben. Dabei sind es nicht die Worte, die fehlen. Selbst mit den richtigen Worten beschrieben hätte zumindest mein kinderloses Ich vor drei Jahren es schlicht nicht verstanden.

Dennoch beneide ich dieses kinderlose Ich manchmal. Wenn mir Bekannte und Freunde erzählen, was sie am Wochenende oder nach Feierabend gemacht haben, denke ich: Ihr habt es gut, ihr habt Zeit dafür! Ihr könnt in Ruhe in der Kneipe Euer Feierabendbier trinken, ins Kino gehen, spontan übers Wochenende wegfahren oder mit dem Rucksack durch Südamerika trampen. Kürzlich erzählte mir ein Kollege, wie dass er beim Joggen jetzt die Halbmarathon-Distanz erreicht hat. Ich dagegen bin froh, wenn ich es überhaupt zum Sport schaffe. Illussionen über große Leistungssprünge mache ich mir hier aber schon längst nicht mehr.

Den Alltag zu viert zu organisieren ist anstrengend, Zeit für einen selbst bleibt da oft wenig – und geht oft nur, wenn man im Gegenzug auf Schlaf verzichtet. Ich nehme an, das wird auch noch ein paar Jahre so bleiben. Ich liebe meine Kinder, trotzdem möchte ich meinem gedacht kinderlosem Ich manchmal zurufen: Du hast zwar keine Ahnung, was Du verpasst – aber Du hast auch keine Ahnung, wie gut Du es hast!

Mit diesen Gedanken bin ich offenbar nicht allein. Es gibt sogar Studien, die belegen, dass Eltern in der Zeit unmittelbar nach der Geburt zwar eine Art Glückshoch haben, danach fällt das Glückslevel aber relativ schnell ab und wird von Stress und Unzufriedenheit weiter runter gedrückt. Als Gründe nennen die Studien Faktoren wie Zeitmangel und weniger frei verfügbares Einkommen. Unterm Strich seien Eltern daher oft unzufriedener als kinderlose Erwachsene. Zumindest so lange die Kinder klein sind. “Kinder machen glücklich – wenn sie ausziehen”, brachte Spiegel Online es vor einiger Zeit auf den Punkt.

Das mag harsch klingen, widersprechen möchte ich nicht. Tauschen mit dem kinderlosen Ich aber auch nicht. Das kinderlose ich hat keine Ahnung, wie gut es dran ist. Aber deswegen auf das Glück verzichten, Vater sein zu dürfen? Niemals! Bei allem Neid: meine Kinder sind (neben meiner Frau) so ziemlich das beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Erleben zu dürfen, wie diese kleinen Menschen jeden Tag ein Stück mehr Welt für sich erschließen, ist ein unendlich schönes und wertvolles Geschenk, für das ich gerne auf die eine oder andere Stunde Schlaf verzichte.

Vielleicht hängt es mit den Genen zusammen. Wie jedes Tier ist der Mensch darauf programmiert, sich fortzupflanzen. Biologisch betrachtet ist Nachkommen zu zeugen unser größtes Glück, weil es das oberste und originärste Lebensziel ist. Es ist eine Art direkter Weg zum Glück, auch wenn man das vielleicht im Alltag nicht immer direkt mitbekommt und daher das Glück erstmal gar nicht als solches wahrnimmt. (Das heißt nicht, dass andere Ziele und Pläne nicht auch sinnstiftend und erfüllend sein können – mein vollstes Verständnis auch für jeden, der sich bewusst oder unbewusst gegen Kinder entscheide, das muss letztlich jeder für sich entscheiden.)

Ja, manchmal bin ich neidisch auf die Kinderlosen. Aber dieses Gefühl verschwindet spätestens in dem Moment, wenn ich meine beiden Mäuse sehe. Dann kann ich mir nichts schöneres auf der Welt vorstellen, als deren Vater zu sein.

In diesem Sinne, alle Gedanken ums Papasein auf einen Schlag gibt es hier!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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