Das Spielzeug, mit dem das andere Kind spielt, ist immer das interessantere. Diese Regel gilt für Kinder im Kindergarten, sie gilt aber vor allem für Geschwister. Egal, womit meine ältere Tochter sich beschäftigt, die kleine Schwester will auch. Nur kann sie das mit ihren knapp neun Monaten noch nicht sagen. Zeigen dafür um so deutlicher. Es ist beeindruckend, welche Krabbelgeschwindigkeit sie erreichen kann, wenn sie einmal Witterung aufgenommen hat. Und da sie sich inzwischen erfolgreich überall hochzieht, sind die Spielsachen auch dann nicht mehr sicher, wenn sie zum Beispiel auf einem Tisch liegen.
Der Großen gefällt das natürlich überhaupt nicht. “Das ist meins!” und “Die soll da weggehen” sind noch die harmloseren Reaktionen. Ja, Geschwisterliebe sieht sicher anders aus. Aber das kenne ich ja aus eigener Anschauung, ich bin schließlich selbst ein großer Bruder und erinnere mich noch gut daran, wie meine kleine Schwester regelmäßig meine mühsam zusammengesetzten meine Lego-Bauten zerstört hat.
Andererseits kann ich sie ja verstehen. Irgendwo habe ich einmal gelesen, dass es für die älteren Geschwister mit dem Nachwuchs in etwa so ist, als würde man der eigenen Partnerin plötzlich eine Geliebte präsentieren, erklären, dass die nun auch hier im Ehebett schläft und verlangen, dass die beiden einander gefälligst lieb zu haben haben. So gesehen sind diese kleinen Momente, wo großes und kleines Mädchen miteinander spielen, um so bedeutender. Kurz meist, aber sie sind da. Außerdem bringt niemand unsere Kleinste so zum Lachen wie die große Schwester. Manchmal hat sie sogar Spaß daran, die Große.
Das Beispiel mit der Geliebten illustriert aber auch den Zwiespalt, in dem ich mich selbst immer wieder fühle. Kümmere ich mich jetzt um die Ehefrau – oder um die Geliebte? Natürlich nur im übertragenem Sinne.
Die Große war es zwei Jahre langt gewohnt, den Papa exklusiv zu haben. Als kürzlich beim ersten Elternabend in der Kita typische Kindersprüche präsentiert wurden, bekam ich die Sprechblase mit “Papabär ist mein bester Freund” in die Hand gedrückt. Das ist rührend (auch wenn ich mir den besten Freund-Status inzwischen mit einer Dreijährigen aus der selben Kita-Gruppe teilen muss). Es ist aber auch ein Stück weit gemein, denn ich kann mich ja nicht zerteilen. ich möchte bester Freund sein, aber eben auch der bestmögliche Vater für meine zweite Tochter.
Schließe ich abends die Tür auf, höre ich schon das Tapp-Tapp auf dem Laminat, mit dem sie in meine Richtung krabbelt. Wacht sie morgens auf und sieht mich, strahlt sie. Sitze ich ihr beim Essen gegenüber, erzählt sie inzwischen wort- und gestenreich vor sich hin, streckt die Arme in die Höhe und guckt mich erwartungsvoll an, ob ich auch ja zuhöre. Ich erinnere mich an diese Phase bei meiner ersten Tochter und stelle gleichzeitig schmerzlich fest: bei Kind Nummer zwei ist viel weniger Zeit, um all das zu würdigen und zu genießen. Man möchte beide Kinder gleich behandeln, doch schon in der Natur der Sache steckt drin, dass das unmöglich ist.
Die Ältere wird immer den Vorsprung haben, Mama und Papa eine Zeit lang für sich alleine gehabt zu haben. Sie wird immer diejenige sein, die alles zuerst gemacht und erreicht hat. Kind zwei bleibt zumindest in den ersten Jahren gar nichts anderes übrig, als immer nur das nachmachende Kind zu sein.
Andererseits erinnere ich mich, wie ungerecht ich es als älterer Bruder manchmal fand, wie selbstverständlich meine kleine Schwester von all dem profitierte, das ich zuvor mühevoll erstritten hatte. Ausgehzeiten. Taschengelderhöhungen. Sowas eben.
Vielleicht ist das Leben am Ende da doch wieder ziemlich fair. Als Vater bleibt mir sowieso nicht viel anderes übrig, als nach bestem Wissen und Gewissen das Beste aus der Situation zu machen. Ganz gerecht werden kann ich ihr vermutlich sowieso nicht.
In diesem Sinne, auf ein großartiges Papa-Leben – und noch mehr Papa-Content!