Die meisten Leute tun so, als hätten sie nichts gesehen. Sie ignorieren die laute Musik und die grell gefärbten Haare, die schweren Stiefel und die Nietengürtel. Ich dagegen finde es irgendwie beruhigend: auch in Ravensburg gibt es Punks.
Als Berliner wäre mir dieser Satz wohl weniger leicht aus den Fingern geflossen, doch drei Monate Ravensburg haben wohl ihre Spuren hinterlassen.
In prosperierenden oberschwäbischen Kleinstadt herrscht aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Vollbeschäftigung. Im September lag die Arbeitslosenquote bei 2,7 Prozent. Berlin dagegen ringt weiter mit einer eindeutig zweistelligen Quote, zur Zeit 13,3 Prozent. Das merkt man. Beim Spaziergang durch den Stadtkern fällt der Blick immer wieder auf die kleinen, aber feinen und vor allem: teuer bestückten Auslagen der unzähligen Geschäfte.
Es gibt wenig große Ketten in Ravensburg, dafür viele Miniläden mit Geschichten, die oft Generationen zurück reichen. Wer zur Mittagszeit etwas essen geht, trifft keine jungen Wilden, die mit vermeintlichen Geschäftspartnern über Stunden neue Projekte latte-macchiatorisieren, sondern ernsthaft arbeitende Menschen mit begrenztem Zeitbudget und um so dickerer Brieftasche.
In diesem Kontext sind die Punks, die neben der Sparkasse (berlinerisch: Spaßkasse) auf dem Marienplatz verzweifelt zu provozieren versuchen, beinahe zu bemitleiden. Nur hin und wieder schüttelt einer der geschäftig vorbeieilenden zumindest entrüstet den Kopf, ganz selten meckert tatsächlich jemand, bevor er wieder in seinem Laden oder Büro verschwindet. Ja, fast könnten sie einem Leid tun, die Ravensburger Punks. Aber eben nur fast.
In diesem Sinne, frohes Schaffen!