Fremde Federn Gedankenwelten

Verwirrte Möbel

2016-10-25-moebel-regal

Möbel verwirren mich. Nicht die losen Blattsammlungen mit kryptischen Zeichnungen, die jeder Möbellieferung beiliegen. Auch nicht die kleinen Schrauben in den durchsichtigen Plastiksäckchen, von denen man anfangs nicht weiß, wofür man sie eigentlich braucht, und die am Ende doch irgendeine wichtige Funktion erfüllen. Es sind die Möbel selbst, die mich aus dem Konzept bringen.

Seit etwas über einem Monat wohnen I. und ich in dieser wunderbaren, großen, hellen und auch sonst perfekten Wohnung. Ich fühle mich pudelwohl und freue mich jeden Tag darüber, wie viel Glück wir hatten, hier einziehen zu können. Jeden Tag wird die Wohnung ein bisschen wohnlicher, ein bisschen mehr unsere Wohnung, und ich genieße das sehr. Trotzdem laufe ich manchmal durch die fast 100 Quadratmeter und frage mich: brauchen wir das wirklich alles?

Ich bin oft umgezogen in meinem bisherigen Leben. Mein Rekord liegt bei vier Umzügen in einem Jahr. Berufsbedingt, ich wusste, worauf ich mich einlasse. Dass ich nun seit über sechseinhalb Jahren am selben Ort wohne ist die Ausnahme, nicht die Regel. Immer wieder habe ich darüber geschrieben, wie wichtig es mir ist, beweglich zu bleiben. Ich habe den Autor Uwe Timm zitiert und dessen Protagonisten aus dem Roman Rot, Thomas Linde:  “Ein Koffer, eine Tasche. Das ist mein Hausstand. Ich kann jederzeit weiterziehen.”

Die meisten unserer Möbel passen nicht in einen Koffer und eine Tasche. Eigentlich keine davon. Mehr noch: ich befürchte sogar, dieser Umzug war der letzte, den wir noch ohne professionelle Hilfe stemmen konnten. In den vergangenen paar Wochen wurden so viele Regale, Sofateile, Schrankfragmente, Bettteile und Matratzen geliefert, dass ich mich frage, wie wir diese Wohnung überhaupt jemals wieder gegen eine andere tauschen können. Es wird vermutlich Wochen brauchen, alles wieder auseinander zu schrauben, in einen Möbelwagen zu verladen und woanders wieder neu aufzubauen.

Eben das verwirrt mich. Es ist noch nicht so lange her, dass mein kompletter Hausstand in einen Ford Fiesta mk4 passte. Ein Umzug war eine Sache von ein paar Stunden, nicht Tagen. Und jetzt bin ich zusammen mit I. auf einmal stolzer Besitzer einer Einbauküche inklusive Spülmaschine, nenne ein riesiges Sofa und einen Fernsehsessel mein Eigen und kann bei einem dringendem Bedürfnis zwischen Badezimmer und Gäste-WC wählen. Bin das noch ich?

Natürlich bin ich das! Und auch wenn ich noch nicht genau weiß, wohin das alles in meinem Kopf eigentlich führen wird, genieße ich es.

In diesem Sinne, ich gehe dann mal ins Bad … oder ins Gästebad.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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