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Lost

Was, wenn das Flugzeug abstürzt und wir dann alle gemeinsam auf einer einsamen Insel ums Überleben kämpfen müssen?

Vermutlich ist das wieder einer der Gedanken, den nur ich habe, und den kaum jemand nachvollziehen kann. Trotzdem habe ich mir diese Frage schon öfter gestellt. Normalerweise immer dann, wenn ich alleine irgendwohin fliege, am Gate in der Schlange stehe und auf das Boarding warte.

Was sind das für Menschen, die hier mit mir warten? Meist bekommt man nicht viel von ihnen mit, obwohl man gleich gemeinsam mit ihnen auf engstem Raum zusammengepfercht in einer dünnen Metallhülle durch die Luft rasen wird. Im besten Fall hat der Buchungscomputer der Fluggesellschaft bei der Auswahl des Sitznachbarn ein glückliches Händchen bewiesen und man kann die Flugzeit mit einem interessanten Gespräch überbrücken. Meist allerdings sitze ich neben Menschen, zu denen ich mir eigentlich etwas mehr Abstand als nur eine schmale Armlehne wünschen würde.

Wie würde ich mit diesen Menschen klarkommen, wenn das Flugzeug jetzt abstürzen und uns auf einer einsamen Insel stranden lassen würde?

Wer meiner Mitreisenden würde sein Leben riskieren, um einen anderen Mitreisenden aus dem Flugzeugwrack zu befreien, bevor dieses im Meer versinkt – wer würde es lassen? Wer würde die Initiative ergreifen und die Führung übernehmen, wenn es darum geht, eine Unterkunft zu bauen und Lebensmittel zu organisieren? Was würde der Mann mit dem etwas abgeranzten Rucksack tun? Was der Typ mit dem teuer aussehendem Trolley-Koffer? Wie würden sich die drei Freundinnen verhalten, die schon seit zehn Minuten über ihre Ex-Freunde herziehen? Wie würde ich mich selbst verhalten?

Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich in Extremsituationen. Mit wem man in einer Extremsituation landet, kann man sich allerdings nicht immer aussuchen. Das ist es, was die Frage für mich so spannend macht.

In diesem Sinne, “Lost” habe ich übrigens nie gesehen …

PS: Die kleinen, weißen Flecken auf dem Foto sind übrigens keine einsamen Inseln, sondern die Windräder eines Offshore-Windparks in der Nordsee.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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