Große Ereignisse werfen große Schatten voraus, glaubt der Volksmund zu wissen. Der Volksmund irrt. Große Ereignisse kommen meist gegen die Sonne – Schatten werfen sie höchstens nach hinten.
Ich habe ihn nur ein paar Mal gesehen. Zwar hat er im selben Gebäude, aber in in einer anderen Redaktion gearbeitet. Von seiner abendlichen Mountainbike-Tour habe ich daher erst sehr spät erfahren. Er war die Strecke durch den Wald wohl schon etliche Male gefahren. Niemand hätte damit gerechnet, dass sie dieses Mal sein Leben verändern würde – am wenigsten wohl er selbst.
Der Sturz kam aus heiterem Himmel, trotzdem endete er mit einer bösen Rückenverletzung, in deren Folge er nun – vorerst? für immer? – vom Brustwirbel abwärts gelähmt ist.
Vielleicht liegt es in der menschlichen Natur, dass wir meinen, bedeutende Veränderungen bedürften einer entsprechend großen Vorankündigung. Dabei passieren die meisten wirklich einschneidenden Dinge fast immer dann, wenn wir gar nicht damit rechnen.
Nicht beim Extremsport brechen wir uns die Beine, sondern wenn wir mal eben zu Hause ein Bild aufhängen oder zum Briefkasten gehen. Nicht bei der Recruiting-Messe finden wir den Traumjob, sondern im Fahrstuhl auf dem Weg zur Toilette. Und die Mutter unserer Kinder läuft uns nicht bei der wochenlang geplanten Party über den Weg, sondern wenn wir morgens völlig verkatert die Bahn ins Büro verpasst haben und totmüde auf den nächsten Zug warten.
Es liegt in der menschlichen Natur, vermeintliche Vorzeichen zu suchen. Wir glauben, unser Leben würde einer gewissen Systematik folgen. Indem wir logische Kausalketten konstruieren, reduzieren wir die Komplexität der Welt auf ein erträgliches Maß. Tief in uns drinnen wissen wir aber, dass das Augenwischerei ist. Die wirklich wichtigen Dinge – ob gut, ob schlecht – die passieren meistens dann, wenn wir sie am wenigsten erwarten.
In diesem Sinne, mal sehen, wo dieser Abend endet!
Wie recht Du doch hast…