Desillussionierend Reisewelten

Granada II

Ich habe Granada mit Harry Potter verglichen. Das war nicht ganz richtig. Was in den Harry Potter-Buechern passiert, ist schliesslich fiktiv – Granada dagegen ist echt. Auch wenn es manchmal etwas von einem Freizeitpark hat.

Wenn man nach der Siesta, gegen halb sechs, sechs Uhr durch die engen Strassen rund um die Kathedrale oder den suedlichen Teil der arabischen Altstadt laeuft fragt man sich irgendwann, ob hier auch Menschen wohnen, oder ob alle nur zu Besuch sind. Kaum jemand, der nicht eine Kamera in der Hand hat. Selbst die Gerueche, die aus den diversen Tee- und Gewuerzlaeden kommen, wirken einen Tick zu intensiv – als waeren sie auch nur ein Teil der Show.

Hinzu kommen die Massen, die jeden Tag um acht und um zwei in Richtung Alhambra stroemen (Bild), der grossen maurischen Festung, die auf dem Berg ueber der Stadt trohnt. Sie ist der Hauptgrund, warum die Menschen nach Granada kommen. Der Verkauf der Eintrittskarten ist streng reglementiert, pro Tag wird nur eine bestimmte Zahl von Besuchern in die Festungsanlage gelassen.

Der Besuch lohnt, ehrlich. Allerdings wuerde sich wohl auch niemand trauen, etwas anderes zu sagen. Wie bei den meisten „kulturell wertvollen“ Touristenattraktionen gehoert es einfach zum guten Ton, begeistert zu sein. Schliesslich koennte man sonst in den Verdacht geraten, man habe die wahre Bedeutung der Attraktion einfach nicht verstanden.

Wobei einen bei aller Schoenheit der Alhambra – es ist wirklich toll dort oben! – auch hier zwischen Ticket-Check, Wegweisern  und Audioguides irgendwann der Verdacht kommt: alles nur Kulisse um Touristen in die Stadt zu locken?

Dass Granada echt und nicht nur Kulisse ist, sieht man erst auf den zweiten Blick und nicht unbedingt oben in den aufwendig gestalteten Gaerten der Festungsanlage. Man merkt es nach Mitternacht, wenn sich immer mehr Spanier unter die Touristen in den Tapas-Bars mischen. In den arabischen Teehauesern sitzen ploetzlich nicht mehr blasse Rucksacktouristen, sondern Studenten aus der Universitaet von Granada. Mit etwas Glueck kommt man sogar mit einem echten Ureinwohner Granadas ins Gespraech. Und dann faellt es einem um so schwerer, diese Stadt wieder zu verlassen.

In diesem Sinne, heute geht es weiter nach Ronda!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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