Ich habe kürzlich Post bekommen. Eine freundliche Frau aus Berlin war im Internet auf ein Foto gestoßen, dass ich gemacht habe. Sie würde dies nun gerne auf Postkarten drucken, um damit Werbung für einen Buchladen zu machen, den sie demnächst mit ihrem Freund eröffnen wird. Ob das in Ordnung sei, und welches Honorar ich dafür verlangen würde.
Ich es nett, dass sie fragt. Zwar wohnt mein Herz noch in Berlin, die Stadt selbst ist aber gut 700 Kilometer weit weg. Hätte sie das Bild, ein schon etwas älterer Schnappschuss, einfach so benutzt, hätte ich das vermutlich nicht mal mitbekommen.
Leider ist eben das nämlich längst gang und gäbe. Gerade Blogger scheinen sich oft keinerlei Gedanken über Bildrechte zu machen. Viele meinen: Wenn ich die Quelle angebe, darf ich im Internet gefundene Bilder frei benutzen. Als Quelle muss in diesen Fällen übrigens oft „google“ herhalten. Das ist dann in etwa so, als würde man in der Kneipe den Mann hinterm Zapfhahn zum Erfinder des Bieres küren, nur weil er dieses in Gläser füllt.
Dass diesen vermeintlich ahnungslosen Bloggern das Urheberrecht trotzdem nicht ganz egal ist, steht oft irgendwo unten auf der Seite. Hier verspricht der Blogger oder die Bloggerin nämlich in der Regel, Bilder auf Anfrage natürlich sofort zu entfernen, sollte es Probleme mit der Veröffentlichung geben. Kurioserweise meist gefolgt von einem Satz, der in etwa so lautet: „Die von mir gemachten Fotos auf diesem Blog dürfen nur mit meiner Genehmigung verwendet werden.“
Letzteres sollte eigentlich nicht extra gesagt werden müssen – es sollte selbstverständlich sein. Leider ist es inzwischen aber weit mehr als das: nämlich ein einträgliches Geschäftsmodell. Zum Beispiel im Fall des Bloggers Marco Friedersdorf. Der hatte auf seinem Blog mindsdelight das Foto eines chinesischen Künstlers veröffentlicht, der in einem Iron Man-Kostüm seine Arbeitskollegen überraschte. Später bekam Friedersdorf Post von der Bildagentur HGM Press. Die Agentur hält die Rechte für dieses Foto in Deutschland und verlangte nun nachträglich ein Nutzungsentgeld sowie diverse weitere Gebühren in Höhe von zusammen fast 1600 Euro.
Kein Einzelfall: Schaue ich mir an, was ich beruflich in der Redaktion mit steter Regelmäßigkeit auf den Schreibtisch bekomme, kann da eigentlich nur System hinter stecken. Anscheinend sitzen irgendwo ganze Praktikanten-Hundertschaften und durchforsten das Internet nach vermeintlichen Urheberrechtsverletzungen und garantieren so diversen Anwalts-Kanzleien mit teils phantastischen Nachforderungen ein gutes Auskommen. Dass sich zumindest ein großer Teil der angemahnten Verstöße sich leicht und ohne Anwalt hätten klären lassen, interessiert nicht. In einem Fall hatte die Agentur, in deren Namen der Urheberrechtsverstoß angemahnt worden war, den betreffenden Text sogar Jahre zuvor selbst eingekauft – bei der Redaktion, die sie nun abmahnen ließ.
Ich finde das schade. So wird eine an sich gut Sache – das Recht eines Urhebers an seinem Werk – zu etwas Unanständigem degradiert, nämlich zur Gelddruckmaschine für Menschen, die offenbar einfach nicht genug bekommen können.
Vielleicht war dieser Gedanke der Grund, warum ich der Frau aus Berlin mein Foto am Ende kostenfrei zur Verfügung gestellt habe. Wer heute abseits der großen Ketten und vor allem unabhängig von amazon und Co noch eine Buchhandlung eröffnet, der hat Mumm – und vermutlich wenig finanzielle Reserven. Wenn der Laden irgendwann einmal Gewinn abwirft, können wir immer noch über ein Dankeschön reden. Bis dahin wünsche ich den Beiden viel Erfolg. Immerhin öffnet das Geschäft in einer meiner Lieblingsecken in Berlin. Was kann da schon schiefgehen?
In diesem Sinne, bitte fleißig Bücher kaufen!