„Wie bekommen Kinder Lust aufs Lesen?“, fragte die Süddeutsche Zeitung am vergangenen Wochenende. Der Anlass für diese Frage war nicht schön. Deutsche Kinder haben ein Problem mit dem Lesen, so das Ergebnis der jüngsten IGLU-Studie (IGLU = Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung). Demnach tun sich ein Viertel aller Viertklässler schwer damit, den Sinn längerer Texte zu erfassen. Lesen, das ist für viele Kinder Arbeit, kein Vergnügen.
Ich finde das erschreckend. Was diesen Kindern entgeht! Was ihnen möglicherweise ihr Leben lang entgehen wird! Lesen – das ist doch etwas ganz Wunderbares! Wie kann man den Lesen nicht mögen?
Meine beiden Töchter lieben Bücher. Zum Glück, denke ich, und frage mich gleichzeitig, ob das wohl so bleibt. Oder wird es ihnen irgendwann gehen wie den Viertklässlern der IGLU-Studie?
Wieso ist das Lesen eigentlich so wichtig für mich? Natürlich, ich lebe davon, dass Menschen lesen. Aber das ist es nicht. Was Lesen für mich immer zu etwas Besonderen, etwas Erstrebenswerten gemacht hat, war nicht die Schule. Es waren meine Eltern. Sie haben immer gelesen. Erinnere ich mich an die Sommerurlaube meiner Kindheit, dann erinnere ich mich nicht zuletzt daran, wie meine Eltern in dicken Büchern lesend vor dem Wohnwagen sitzen. Überhaupt fing eigentlich jeder längere Urlaub damit an, dass ich mit meinem Vater in die hiesige Stadtteilbibliothek gefahren bin, Lesestoff ausleihen.
Meine Eltern haben mir stets vorgelebt, dass Lesen etwas Schönes ist.
Ich fürchte, es ist so einfach: Der beste Weg, meine Töchter zu Leserinnen zu erziehen, ist, zu lesen. Also lese ich. Ich lese Zeitung, ich lese Bücher – und ich lese vor allem bewusst vor meinen Töchtern. Manchmal nehme ich mir sogar was zu Lesen mit ins Badezimmer, um dort ein oder zwei Kapitel zu lesen, nachdem meine Tochter und ich den unangenehmen Teil des Badens hinter uns gebracht haben: das Haarewaschen. Danach planscht sie noch ein wenig in der Wanne rum – und ich lese.
Außerdem lese ich vor. Mindestens einmal am Tag, beim Schlafengehen. Auch das etwas, was meine Eltern in meiner Erinnerung stets mit viel Hingabe getan haben.
Gut erinnere ich mich an die Abende als Kind, wenn meine Schwester und ich gebadet haben. Danach gab es meistens ein eher süßes Abendessen wie Milchreis oder Griesbrei. Während wir aßen, hat meine Mutter uns vorgelesen. Die Wawuschels, der Räuber Hotzenplotz – Kinderbücher eben. Ich habe diese Abende geliebt.
Entsprechend wird es mir ganz warm ums Herz, wenn nun meine viereinhalbjährige Tochter morgens ein Buch mitbringt, wenn sie nach dem Aufwachen erstmal noch ein wenig zu mir ins Bett krabbelt. Zwar weiß ich dann, das war es nun mit dem Schlafen (hey, 5:30 Uhr ist auch wirklich lange genug, oder?). Gleichzeitig bewundere ich die Inbrunst, mit der sie mein schlaftrunkenes Ich zum Vorlesen nötigt.
Interessant dabei: es sind immer die gleichen Bücher. Zwar wechseln diese alle paar Wochen mal, bis dahin bleibt meine Tochter aber konsequent. Und wehe, ich improvisiere mal bei einem Wort oder ersetze eine Formulierung durch eine andere. Da ist sie knallhart, meine Maus. Das gilt übrigens auch für Fehler. „Papa, jetzt ist der Rucksack von Max nicht mehr blau, sondern grün.“, erklärte sie einmal. Und sie hatte Recht! Das hier bei den Illustrationen gepatzt worden war, war offenbar weder mir noch dem Verlag aufgefallen – meine Tochter hat es gemerkt.
Praktischerweise färbt Bücherliebe nicht nur von Eltern auf Kinder ab. Gerade Geschwister erziehen sich ja bekanntlich ein Stück weit gegenseitig. Entsprechend fordert auch die Zweijährige immer öfter Vorlesezeit von Papa. Das sorgt zwar manchmal für Knatsch zwischen den Schwestern – aber hey: sie streiten darum, wer mehr vorgelesen bekommt. Ziel erreicht, würde ich sagen.
In diesem Sinne, danke fürs Lesen dieses Posts!