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Zwischenwelten

Es war noch dunkel, als ich heute morgen aufgestanden bin. Ich habe geduscht, Kaffee getrunken und schnell die Zeitung überflogen, um kurz vor sechs stand ich am Check In Schalter der British Airways am Flughafen Tegel. Nicht um selber weg zu fliegen (leider), sondern um eine Freundin zu verabschieden, die heute für ein Jahr nach Brisbane, Australien, fliegt.

Ein komisches Gefühl. Ich mag Flughäfen, selbst Tegel, der ob seiner Größe und wegen seines komischen Rund-Designs nicht so ganz diese ganz eigene Flughafenatmosphäre zu vermitteln mag wie etwa Frankfurt oder Heathrow. Am Abschied selber ändert das freilich wenig (außer vielleicht, dass man sich nicht so lange suchen muss), und Abschiede sind eigentlich immer doof.

Als ich gereist bin, habe ich beinahe jeden Tag irgendwen verabschiedet. Manchmal bewusst, manchmal sogar mit Tränen in den Augen, dann wieder eher nebenbei. Man traf jemanden, hatte einen schönen Tag oder auch nur Abend zusammen, vielleicht reiste man auch eine Weile gemeinsam, weil man sich sympathisch war oder auch einfach weil man die selbe Route hatte und irgendwann trennte man sich eben wieder.

Ich erinnere mich an eine Deutsche, der ich in Australien bei beinahe jeder Bus-Etappe zwischen Brisbane und Cairns begegnet bin. Geplant war das nicht, wir hatten einfach zufällig ein Ticket der selben Busgesellschaft und offenbar ein ähnliches Reisetempo, trotzdem war es jedes Mal schön, wenn wir uns am Busstopp oder im Bus getroffen haben. Sie ist dann irgendwann weiter gen Norden, während ich von Cairns aus zurück nach Sydney geflogen sind. An einen richtigen Abschied kann ich mich nicht erinnern. Wir sind auseinander gegangen wie nach all den anderen Etappen auch, irgendwie wohl in dem gewohnheitsmäßigen Glauben, dass wir uns schon wieder über den Weg laufen würden.

Anders war es, als ich mich in Buenos Aires von der in “Meine Stadt” beschriebenen argentinischen Australierin verabschiedet habe. Ich habe sie zum Bahnhof gebracht, denn sie wollte mit dem Zug weiter zu einer Tante, ich selber bin dann alleine zum Busbahnhof, von wo ich nach Chile gefahren bin. Ich glaube, ich habe mich auf der ganzen Reise nie wieder so einsam gefühlt wie in dem Moment, als Samantha alleine in diesen Zug gestiegen ist.

Ich weiß nicht, wie Anja sich gefühlt hat, als sie alleine durch die Passkontrolle in Richtung Gate gegangen ist. Bei mir mischt sich in solchen Momenten, wenn man plötzlich auf sich gestellt ist, meist die Abschiedsmelancholie recht schnell mit der Freude auf das Neue, das der Abschied ja meist nach sich zieht. Man lässt das eine hinter sich, um Platz zu schaffen für etwas Neues, was ja in Anjas Fall sogar ein lang gehegter Traum ist.

Dennoch fällt das Loslassen natürlich schwer. Vielleicht auch, weil man sich beim Abschied nehmen in gewisser Weise immer zwischen den Welten bewegt. Man hat das Alte schon hinter sich gelassen und ist noch nicht beim Neuen angekommen. Ein Mensch, der geht, hinterlässt zunächst eine Lücke, die erst nach und nach von anderen Menschen neu gefüllt werden kann (wobei ich wert auf die Feststellung lege, dass es sich dabei nicht um ein Ersetzen handelt!). Andererseits: was wäre das Leben ohne Abschiede? Das Aufgeben des Altbekannten verbunden mit dem Sprung ins neue Ungewisse ist schließlich auch immer eine Chance und nicht jeder Abschied ist automatisch endgültig. Samy habe ich drei Monate später und gut 10.000 Kilometer weiter in Brisbane wieder getroffen. War nicht das selbe, aber schön.

In diesem Sinne, frohes Verabschieden!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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