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Wasser-Fall

Vielleicht sollte ich stolz sein. Immerhin kann ich von mir behaupten, die Schifffahrt auf dem Wörthersee in Österreich lahmgelegt zu haben – und das noch als Kind.

Ich muss so zehn oder elf gewesen sein. Unzählige Male hatte ich in den vorherigen Urlauben mit meinen Eltern und meiner Schwester am Ufer des Wörthersees auf der Bank gesessen und beobachtet, wie Menschen über dem See Menschen in die Luft gingen. Man bekam eine Art Fallschirm umgeschnallt und wurde gleichzeitig mit einem Seil an einem Motorboot festgemacht. Fuhr das Boot los, zog der Fahrtwind denjenigen, der an dem Fallschirm hing, bis zu 60 Meter in die Höhe. Eine tolle Sache, fand ich. Leider auch nicht ganz billig, betonten meine Eltern.

Vielleicht habe ich einfach nur sehr lange gequengelt. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr. Sehr genau erinnere ich mich dagegen an die Badehose, die meine Mutter in diesem Jahr plötzlich aus der Handtasche zog. Heute würde ich fliegen, sagte sie mit einem verschmitzten Grinsen.

Soweit ging auch alles glatt. Kompliziert wurde es erst, als mein Flug bereits beendet war. Der normale Ablauf ist dann dieser: Das Boot wird langsamer, der Mensch an dem Flugschirm sinkt langsam nach unten und landet sanft und sicher im See, wo er von dem Boot aufgelesen und wieder ans Ufer gebracht wird. Bei mir war es anders: Als ich von dem Boot aufgelesen wurde, ging der Bootsführer über Bord und wenig später war erstmal Schluss mit Ausflugsfahrten auf dem Wörthersee.

Ich war nämlich gerade an Bord des Motorboots geklettert, um dort in die Videokamera meines Vaters zu lachen, als das Boot plötzlich einen Ruck machte. Auf dem Video sieht man den recht deutlich. Noch deutlicher kann man es allerdings hören: ein kurzer Schrei, dann folgt ein lautes Platschen, als der Bootsführer, vom Ruck aus dem Gleichgewicht gebracht, im Wasser landet.

Passiert war folgendes: Ich hatte mich gerade von dem Seil losgemacht, dass mich und meinen Flugschirm mit dem Motorboot verbunden hatte, als eben dieses Seil von einem Wörthersee-Ausflugsschiffe überfahren wurde. Das Seil verfing sich in der Schraube des Ausflugsschiffes, dessen Kapitän zwar sofort die Maschinen stoppte, an der Sache an sich aber nicht mehr viel ändern konnte. Der Schwung des Kaffeedampfers reichte zudem aus, um uns noch ein ganzes Stück vom Bootsführer weg zu ziehen, der verzweifelt hinter seinem Boot herpaddelte.

Eilig wurden Taucher herbeibeordert, um die Schraube des Kaffeedampfers von dem Flugschirm-Seil zu befreien. Die rannten an meiner ahnungslosen Mutter vorbei zum Anleger, wo sie sich ins Wasser hinabließen – und meiner Mutter einen ziemlichen Schreck einjagten.

Das fahruntüchtige Ausflugsschiff glitt indessen mit dem verbliebenem Schwung weiter in Richtung Anleger. Wenige Meter vom Ufer entfernt blieb es schließlich liegen – und blockierte so den Anleger vollständig für den normalen Kaffeefahrt-Verkehr. Ein zweites Ausflugsschiff schloss irgendwann später  die Lücke zum Ufer, so dass zumindest die Passagiere von dem havarierten Boot auf das andere Boot umsteigen und dann an Land gehen konnten.

Etwa zur gleichen Zeit muss dann auch unser Bootsführer uns schwimmend erreicht haben. Was er zu meinem Vater und mir gesagt hat, als er klatschnass wieder in sein Boot kletterte, weiß ich nicht mehr. Auch nicht, wie lange es dauerte, bis der Ausflugsverkehr auf dem Wörthersee wieder normal lief. Überhaupt hatte ich von dem ganzen Theater recht wenig mitbekommen oder gar darüber nachgedacht, was passiert wäre, wenn ich noch an der Flugschirmleine gehangen hätte, als diese von der Schiffsschraube unter Wasser gezogen wurde. Viel zu geflashed war ich von dem tollen Erlebnis, an einem Flugschirm über dem Wörthersee rumzugfliegen.

In diesem Sinne, Gruß nach Österreich!

PS: Weil die Frage kam: Nein, an der Geschichte ist nichts gerafft, übertrieben, geschönt oder sonstwie geändert – sie ist einfach nur genau so passiert.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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