Papawelten

Vier Monate Vater oder: Was mir die Dunstabzugshaube voraus hat

Dunstabzugshaube. Schon das Wort ist furchtbar. Ein typisches Beispiel für die dem Deutschen eigene Möglichkeit, neue Wörter zu erschaffen, indem man beliebig viele alte Wörter aneinander zu reiht. Schlimmer ist eigentlich nur Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungspflicht. Oder Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz.

Dunst-Abzugs-Haube. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ein fieses Wort. Aber vielleicht bin ich auch nur neidisch. Unsere Dunstabzugshaube scheint mir nämlich einiges voraus zu haben, zumindest wenn es darum geht, unsere Kleine in den Schlaf zu singen. Egal welche tollen Kinderlieder ich mir ausdenke, keines schlägt das monotone Summen des Abzug-Ventilators, wenn es darum geht, unsere offensichtlich sehr müde Maus in den dringend benötigten Vormittagsschlaf zu summen. Wobei ich zu meiner Ehrenrettung sagen muss: ich scheine nicht der einzige zu sein, der mit diesem Trick arbeitet. Es gibt inzwischen sogar eigene Apps, die nichts anderes tun, gleichförmige Geräusche abzuspielen. Einfach Mal nach “Fön-App” googeln.

Vier Monate bin ich bald Vater. Ich könnte nun damit angeben, wie routiniert meine Frau und ich das inzwischen wuppen, aber das wäre natürlich gelogen. Ich würde sogar soweit gehen und sagen: Routine, das gibt es mit einem Baby nicht. Dafür entwickeln sie sich zu schnell. Was heute funktioniert, kann morgen schon überholt sein. Zumal die Kleine von Tag zu Tag anspruchsvoller wird. Einfach nur neben uns im Kinderwagen liegen, während wir essen? Nicht mit mir, denkt sich unsere Tochter. Auf Mamas Schoß bekomme ich doch viel mehr mit. Außerdem kann ich so schon einmal versuchsweise nach der Kaffeetassen greifen.

Greifen – das ist das neue Gucken. Am liebsten kombiniert mit in-den-Mund-stecken. Zielsicher fing unsere Kleine kürzlich an, den Karton mit Taschentüchern zu leeren, den wir neben ihr auf der Wickelkommode stehen hatten. Ein Tuch nach dem anderen zog sie aus dem Karton, befühlte es einen Moment und warf es dann weg. Zack, nächstes Tuch. Früher, also vor einem Monat, da hatte es ihr noch gereicht, einfach nur auf den Karton einzuprügeln, bis dieser zu Boden ging. Aber was interessieren so ein Baby die Vorlieben von gestern.

Auch beim Thema Trinken ist die kleine Dame eigenwilliger geworden. Trinkt sie aus der Flasche, kann es passieren, dass sie diese plötzlich mit beiden Hände greift, den Sauger für einen Moment aus dem Mund rausdrückt, schluckt und ihn dann wieder hastig zurück zwischen die Lippen zieht. Ich darf die Flasche dann zwar auch noch festhalten, aber eher pro forma, habe ich das Gefühl. Vermutlich nimmt meine Tochter da einfach nur Rücksicht auf meine Gefühle. Was für ein tolles Kind ich habe! Als Papa nehme ich ein solches Verhalten natürlich als Beweis für ihre mindestens überdurchschnittliche Intelligenz. Nicht auszudenken, wohin das führt, wenn sie erstmal sprechen respektive Widerworte geben kann.

Vier Monate Vater. Trotzdem fühle ich mich noch gar nicht so. Zumindest nicht in der Dimension, die das Vatersein hat, wenn man erstmal länger darüber nachdenkt. Die Geburt meiner Tochter hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Derzeit erlebe ich das vor allem noch von Tag zu Tag. Zwar bin ich mir bewusst, dass meine Tochter irgendwann ein, zwei und 20 Jahre alt sein wird und dass ich dann immer noch ihr Vater sein werde. Ich weiß auch, dass das Vatersein nicht nur die aktuelle Freizeitplanung, sondern jeden kommenden Urlaub und jeden Feiertag bestimmen wird. Dass irgendwann so Dinge wie Kindergarten, Einschulung, Elternabend und Pubertät auf mich zukommen werden. Die praktische Dimension dieses Wissens ist mir aber noch fremd. Dabei besteht die Schwierigkeit gar nicht so sehr darin, in die Zukunft zu blicken. Vielmehr fällt es mir noch schwer, die Vergangenheit zu den Akten zu legen.

Bisher konnte ich immer meine Vergangenheit als Maßstab nehmen, wenn ich versucht habe, mir meine Zukunft vorzustellen. Das funktioniert jetzt nicht mehr. In der Vergangenheit war ich noch kein Vater, jetzt bin ichs. Trotzdem kann ich mir nicht mehr vorstellen, kein Vater zu sein. Und eigentlich ist es ja das, worauf es ankommt.

In diesem Sinne, auf die Zukunft!

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Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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