Gedankenwelten

Verlaufen (Riga II)

Als ich sie zum ersten Mal auf einem der Marktplaetze gesehen habe, habe ich mich gefragt, wie lange sie das wohl durchhaelt, bis sie eine Pause machen muss. Mittlerweile weiss ich: sehr lange. Und Pausen macht sie eigentlich nur, um ein anderes Lied einzulegen. Ansonsten tanzt sie, Stunde fuer Stunde und wahrscheinlich Tag fuer Tag. Sie schlingt die Arme um einen imaginaeren Partner und laesst sich von ihm im Kreis herum wirbeln. Eine halbe Drehung, dann zwei kurze Schritte, dann wieder eine Drehung. Abwechselnd laueft dazu so etwas wie lettische Volksmusik, 90er-Jahre-Pop oder Abba. Hin und wieder wirft ihr jemand eine Muenze hin, die meisten ignorieren sie einfach. Sie scheint fuer die Rigaer so etwas wie eine Institution zu sein, die zwar da ist, ansonsten aber nicht weiter beachtet werden muss. Ich dagegen bin gestern bestimmt hundert Mal an ihr vorbei gekommen und war jedes Mal neu beeindruckt.

Ueberhaupt habe ich gestern viele Wege mehrfach gemacht. Riga ist nicht gross, trotzdem gelingt es mir immer wieder, mich zu verlaufen. Gerade die Altstadt, mit ihren verwinkelten Gassen laedt gerade zu dazu ein, sich zu verirren. Hinzu kommt, dass die meisten Strassen nicht gerade, sondern leicht gekruemmt verlaufen. Entsprechend war ich froh, als ich es gestern abends meine Hostel wieder gefunden hatte. Ich war muede und wollte eigentlich nur noch ein kurzes Bier im Hostelpub trinken. Dass das nicht das Ende, sondern erst der Anfang des Abends war, konnte ich ja nicht ahnen.

Ich habe mich mit allen moeglichen Leuten unterhalten, am fatalsten war aber wohl das Gespraech mit Carlos, dem Barkeeper. Ueber ein paar Bier sind wir ins Quatschen gekommen und als er Feierabend hatte wollte er mich noch zu irgendeiner Fete mitnehmen. Dass die sonstwo am Ende von Riga war und er nur das Haus, nicht aber die genaue Wohnung kannte, hat er mir natuerlich erst spaeter verraten. Zumindest wusste er noch, mit welchem Code man die Haustuer oeffnen konnte (Schluessel scheinen in Riga nicht so beliebt). Anschliessend hat er einfach an jeder Tuer geklingelt und, natuerlich, es war die letzte.

Ich will es kurz machen, wir hatten eine Menge Spass an diesem Abend. Einziges Manko war, dass ich ueber eine Stunde gebraucht habe, um spaeter in der Nacht zurueck ins Hostel zu finden. Zumindest kann ich jetzt sagen, dass ich mir Riga bisher im wahrsten Sinne des Wortes erlaufen habe.

In diesem Sinne, orientierungslosen Gruss!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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