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Urlaub-Leben

Das Leben ist auch nichts anderes als ein langer Urlaub. Klingt komisch, ist aber so. Zumindest funktioniert der Vergleich super, finde ich. Und die Schlüsse, die man darauf ziehen kann.

Vor eineinhalb Jahren habe ich nach gut 15 Jahren Individualurlauben das erste Mal wieder eine Pauschalreise gemacht. Ganz klassisch: eine Woche Türkei, all inclusive, mit Reiseleiter-Sprechstunde im Hotel und optionalen Ausflügen vor Ort (Foto). I. und ich hatten uns bewusst dafür entschieden, weil es einfach und preisgünstig war und wir aus verschiedenen Gründen in diesem Jahr keinen großen Urlaub machen wollten. Wir wussten also, worauf wir uns einließen. Trotzdem ist uns schon nach drei Tagen die Decke auf den Kopf gefallen.

Die Tagesplanung war im großen und ganzen überschaubar: Morgens aufstehen und reine Runde im Pool drehen, um nicht völlig in Bewegungslosigkeit zu versinken. Dann Frühstück am Buffet und später an den Pool oder ans Meer. Ein oder zwei Mal sind wir in den nächstgelegenen Ort gefahren. Das Abendessen variierte dank der unterschiedlichen Themenrestaurants im Hotel ein wenig. Einmal wurde es sogar richtig aufregend. Grund war ein Unwetter gefolgt von einem Stromausfall und dem Befehl: “Romantik! Jetzt!”. Vorm Schlafengehen gab es erst das Entertainment-Programm auf der hoteleigenen Bühne: Comedy, orientalischer Markt, Musik. Dann ein Absacker an der Hotelbar am Meer oder auf dem Balkon des Hotelzimmers.

Ich würde nicht sagen, dass es kein schöner Urlaub war. Ich habe die Ruhe und auch die Eintönigkeit genossen. Ich habe so viel gelesen, wie lange nicht, und wir haben uns köstlich über das tägliche Programm der Hotel-Animateure amüsiert, bei dem es vor allem darum zu gehen schien, dass die anderen Gäste irgendwann zur Strafe (oder als Belohnung?) in den Pool springen mussten.

Was mich allerdings schockiert hat, war, wie schnell ich mich an diesen eintönigen und unterm Strich langweiligen Rhythmus gewöhnt habe. Ich kenne das von alten Menschen, bei denen ein einzelner Arzttermin plötzlich eine ganze Woche blockiert. Weil sie donnerstags zur Blutuntersuchung müssen, können sie montags nicht Kaffee trinken gehen. Bei uns war es ähnlich. Hatten wir an einem Tag einen Halbtagesausflug gemacht, brauchten wir anschließend mindestens einen Tag ohne Pläne als Ausgleich. Sonderlich befriedigend oder gar erholsam war der Urlaub rückblickend trotzdem nicht (ganz schlecht aber auch nicht – nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht!).

Ganz anders das Jahr davor und das danach: Einmal sind I. und ich zwei Wochen lang kreuz und quer auf eigene Faust und mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Bulgarien gereist, im anderen Jahr drei Wochen lang und insgesamt 4.160 Kilometer mit dem Mietwagen durch den Westen der USA gecruised – trotz Krücken. Wie lebendig ich mich dabei gefühlt habe! Und wie oft und wie gerne ich an diese beiden Urlaube zurückdenke. An die Woche Türkei dagegen erinnere ich mich nur selten. Im Kopf geblieben ist mir hier vor allem die schier endlose Rückfahrt vom Münchner Flughafen zurück nach Karlsruhe. Warum mussten wir uns das ausgerechnet am letzten Oktoberfest-Wochenende antun?

Ich glaube, mit dem Leben ist es ähnlich. Am Ende denken wir nicht an die Momente zurück, wo wir uns auf sicherem “all inclusive”-Boden bewegt und immer genügend Ruhetage eingeplant haben. Was zählt, sind die Zeiten, in denen wir unsere Komfortzonen verlassen und uns gestreckt haben. Montags Kaffeetrinken, obwohl donnerstags die Blutuntersuchung ansteht. Und sind nicht sowieso immer die Abende am Besten, an denen man eigentlich zuhause bleiben wollte, dann aber doch “nur ein Bier” trinken gegangen ist (bei dem es dann natürlich nicht geblieben ist)?

Das Leben hat mehr mit einem Urlaub gemein, als man denken mag. Leider gilt das nicht in jeder Hinsicht. Wenn es mir im Urlaub irgendwo besonders gut gefällt, sage ich mir immer: ich kann ja wiederkommen. Anders hätte ich manches Reiseziel wohl nie verlassen können und würde immer noch irgendwo in Südamerika festhängen.

Im wirklichen Leben funktioniert das leider nicht. Das Leben ist der einzige Urlaub den wir haben. Wiederkommen ist nicht. Scheint die Zeit am Anfang schier endlos, kommt früher oder später die Erkenntnis, dass auch der schönste Urlaub irgendwann zu Ende geht. Auf einmal wird einem klar, dass wählen muss, welche Orte man noch besuchen möchte, und welche für immer unbesucht bleiben werden.

In diesem Sinne, schöne Ferien!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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