Mitmenschen Reisewelten

Romantisch! Jetzt!

2014-10-13-Gewitter

„Romantisch! Jetzt!“, sagte der Kellner, als das Licht das erste Mal ausging. Draußen trommelte der Regen gegen die Scheibe.

Als das Unwetter kam, saßen wir gerade beim Essen im türkischen Hotelrestaurant. Der Stromausfall dauerte nur ein paar Sekunden, aber er reichte, um im Flur vor dem Lokal für Panik zu sorgen. Wie viele andere Gäste auch hatte ich das Abendessen kurz unterbrochen, um in unserem Zimmer nach dem Rechten zu schauen. „Haben wir die Balkontür weit genug geschlossen? Was ist mit den Handtüchern, die noch draußen zum Trocknen hängen?“, waren die Überlegungen, die mich in Richtung Fahrstuhl trieben. „Werden wir den morgigen Tag überleben“, schienen die meisten anderen Gäste sich zu fragen.

„Haltet Euch bloß gut fest! Es kann jederzeit wieder losgehen!“, wiederholte ein Familienvater mit panischer Stimme, während seine drei Kinder und seine Frau sich am Geländer entlang die Treppe neben dem Aufzug nach unten tasteten. Ein anderer Mann hielt sich nicht mit solchen Kleinigkeiten auf: Er hatte seinen vielleicht dreijährigen Sohn kurzerhand unter den Arm genommen und trug ihn wie eine Umhängetasche ohne Gurt in Richtung Treppenhaus.

Im ersten Stock hielt der Fahrstuhl das erste Mal. Die Tür öffnete sich, und eine junge Frau mit blonden Haaren sah erst mich, dann das Ziffernfeld an, bevor sie hastig den Knopf für die dritte Etage drückte. „Wenn wir steckenbleiben, bleiben wir zu zweit stecken“, erklärte sie dann bestimmt und mit ernstem Blick. Anschließend streckte sie mir ihre Hand hin, „ich bin Silke.“

Drei Etagen weiter und ganz ohne stecken zu bleiben verließ ich den Fahrstuhl, bloß um fast wieder in die Kabine zurückgeworfen zu werden. „Muss! Ins! Zimmer!“, rief der Mann, der mich beinahe gerammt hatte. Und: „Handtücher! Balkon!“ Dann verschwand er hinter einer der vielen Türen der vierten Etage.

Auch ich öffnete unsere Zimmertür. Die Balkontür stand nur einen Spalt breit auf. Schnell sammelte ich die Handtücher auf dem Trockengestell ein, rettete ein paar Turnschuhe vor etwaigen Regenspritzern und kehrte anschließend zu I. ins Restaurant zurück. „Romantisch! Jetzt!“, hatte der Kellner schließlich befohlen.

In diesem Sinne, bloß nicht steckenbleiben!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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