Im ICE von Hamburg nach Berlin. Es ist dunkel draußen, das Land ist flach und langweilig. Nur wenige Lichter ziehen vorbei. Drinnen ist es ruhig. Nur ein paar Wehrpflichtige versuchen durch konsequentes Reden das unwohle Gefühl vor der dritten Woche Grundausbildung zu übertönen.
Der Wagen ist gut besetzt, aber lange nicht voll. Ich habe die Sitzbank für mich und starre in die Schwärze vor dem Fenster. Unsichtbar fliegt die Landschaft vorbei.
Ich fühle mich gut. Ich mag es, unterwegs zu sein. Auf dem Weg von A nach B befindet man sich in einer Zwischenwelt, die ich normalerweise sehr genieße: abgefahren, aber noch nicht angekommen. Einerseits wehmütig vom Abschied, andererseits gespannt und vielleicht auch ein wenig nervös wegen dem, was kommt. (Ja, selbst das dazugehörige Gefühl liegt offenbar irgendwo in der Mitte.)
Bevor ich in den Zug gestiegen bin, war ich mit einem alten Freund an der Alster spazieren. Kaum hundert Meter von uns entfernt schob sich plötzlich dieses Containerschiff den Fluss herunter. Ich habe keine Ahnung, woher dieses Schiff gerade kam oder was es geladen hatte, ob der Größe habe ich seiner Besatzung eine längere Reise unterstellt. Ein komischer Gedanke, wenn man sich vorstellt, dass im Grunde genommen der Lebensinhalt der Menschen auf diesem Schiff weder aus Ankommen noch aus Abfahren sondern schlicht aus dem Weg von A nach B besteht und Ankommen nur der Auftakt zu einem weiteren Aufbrechen ist.
Darüber habe ich nachgedacht, wie ich so im ICE von Hamburg nach Berlin saß und die Landschaft unsichtbar in der Dunkelheit vorbei flog. Müde von dem Wochenende muss ich dann wohl eingeschlafen sein, denn plötzlich hatte ich nicht mehr das Gefühl, in einem Zug zu sitzen. Im Traum, der höchstens ein paar Minuten dauerte, wähnte ich mich statt dessen auf eben diesem Schiff, und meine Reise war auf einmal mehr, als bloß eine eineinhalbstündige Zugfahrt. Gar nicht so weit hergeholt, eigentlich.
In diesem Sinne, öfter mal zwischen den Zeilen lesen!