Karriere

Traurige Flexibilität

Entschuldigt, aber dies wird nun ein eher pessimistischer Beitrag. Dabei fängt er mit einem ganz unschuldigen Satz an: Ich bin flexibel!

Nicht nur, weil es in jeder Stellenanzeige direkt oder indirekt gefordert wird, ja geradezu Grundvoraussetzung für den Arbeitsmarkt ist, in den meine Generation hinein wächst. Nein wirklich: ich liebe es, Neues zu erkunden und dabei neue Orte zu entdecken. Ich bin aufgeschlossen gegenüber Veränderungen, privat wie beruflich, und kann mir auch vorstellen (wieder) für eine Zeit ins Ausland zu verschwinden.

Doch was ist die praktische Konsequenz dieser Überlegung?
Zur Zeit dauert eine Bahnfahrt zu meiner Familie und vielen meiner alten Freunde gut vier Stunden. Das geht, trotzdem überlegt man es sich eben schon zwei Mal, ob man die Strecke, hin und zurück, auch für zwei Tage fährt. Hinzu kommt, dass mein Freundeskreis sich auch immer mehr verteilt. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Lauter flexible Menschen, manche wirklich engen Freunde sehe ich, wenn es hoch kommt, zwei Mal im Jahr.

Natürlich, auch in Berlin habe ich in den letzten zwei Jahren viele Menschen kennengelernt. Einige davon stehen mir mittlerweile ziemlich nah, sind das, was man früher vielleicht als “gute Freunde” bezeichnet hätte. Doch was wird aus denen, wenn ich irgendwann weiter ziehe?

Es tut manchmal weh, wenn man sich eingestehen muss, dass manche Menschen längst nicht mehr so enge Begleiter sind, wie sie es einmal waren. Wenn man plötzlich feststellen muss, dass außer dem Etikett “Freunde” nicht mehr all zu viel geblieben ist, außer dass es sich beide weiterhin auf ihre Beziehung zueinander heften. Es fehlt die gemeinsame Lebenswelt und auf Dauer ist ein “weißt Du noch” eben doch nur noch nostalgisch.

Das ist traurig, trotzdem muss man es sich wohl an einem gewissen Punkt einfach eingestehen.

Allerdings, und vielleicht ist dieser Post doch nicht so pessimistisch, wie angekündigt, scheint es manchmal dann doch zu funktionieren. Es sind nicht so viele, aber doch einige Menschen, die sich offenbar so tief in meinem Leben verankert haben, dass sie sich höchstens noch mit einem komplizierten chirurgischem Eingriff wieder daraus lösen lassen. (Und ich hoffe, diese Menschen wissen nun auch, dass sie gemeint sind).
Auch Flexibilität hat eben Grenzen.

In diesem Sinne, frohes Rumbiegen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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