Ich habe völlig überreagiert, doch in dem Moment kam es mir nicht so vor. Damals, vor fast genau drei Jahren an dem Busbahnhof in Südamerika, hätte ich am liebsten geheult. Den Tag über hatte ich in der Stadt totgeschlagen. Ich war müde und verschwitzt und wollte eigentlich nur noch in den Bus, der mich von Mendoza am Fuße der Anden nach Cordoba in die argentinische Sierra bringen sollte. Eine halbe Stunde bevor der Bus abfahren sollte wurde mir mein Tagesrucksack gestohlen.
Es war der erste ernste Zwischenfall auf meiner Reise, und zumindest im Kopf hat er mich ganz schön aus der Bahn geworfen. Weder Ausweis noch Flugtickets waren in dem Rucksack gewesen, dafür meine Brille, meine Kamera, etwas Geld und, der größte Verlust, mein Reisetagebuch. Nichts desto trotz war der Verlust des Rucksackes objektiv betrachtet, keine Katastrophe. Trotzdem hatte er auf einen Schlag das Sicherheitsgefühl zerstört, dass ich über die letzten drei Wochen seit meinem Aufbruch aus Deutschland mühsam aufgebaut hatte. Und das war, zumindest in dem Moment, dann doch ziemlich schlimm.
Die Anzeige bei der Polizei war aufgrund meines schlechten Spanisch aufwendig und wegen der schlechten Ausstattung des Polizeireviers zeitraubend und anstrengend. Irgendwann mitten in der Nacht half der diensthabende Polizist mir noch, ein billiges Hotel in der Nähe des Bahnhofs zu finden. Das Hotelzimmer, in das eine verschlafen wirkende Wirtin mich schließlich führte, war im ersten Stock und klein, aber sauber. Duschen und WCs waren auf dem Flur, gelbliche Gardinen verdeckten den Blick auf die Hauptstraße davor.
Als ich aus Deutschland aufgebrochen war, hatte ich mir über alles mögliche Gedanken gemacht. Rückblickend kam mir das nun auf einmal lächerlich vor. Wieso hatte ich mir vorher wegen Banalitäten verrückt gemacht, wenn doch nun ohnehin alles im Schatten dieser fiesen Erfahrung verblasste?
Es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, die „Mendoza-Erfahrung“ hätte mein Leben verändert. Dennoch denke ich hin und wieder daran zurück, wenn ich mir selber vor Augen führen möchte, dass es im Großen und Ganzen Blödsinn ist, sich überhaupt zu viele Sorgen zu machen. Schon morgen kann schließlich alles mögliche passieren, was das gerade noch verfluchte Heute respektive Gestern wie einen verlockenden und sicheren Hafen erscheinen lässt. Schlimmer geht schließlich immer.
In diesem Sinne, auch mal an das Leben ohne Rucksack denken!
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