Reisewelten Wunschträume

Reisemensch

Manchmal überlege ich, wer da einfach in meinem Reisetagebuch rumgekritzelt hat. Vorhin jedenfalls ging es mir so. Ich habe auf dem Balkon gesessen und in den beiden Kladden geblättert, die ich während meiner Weltreise vollgeschrieben hab. Da die Bücher lange im Keller des Hauses meiner Eltern gelagert haben, habe ich das lange nicht getan.

Bei vielen Einträgen kann ich mich trotzdem noch genau daran erinnern, wo und in welcher Situation ich sie geschrieben habe. Bei anderen entfalten sich erst nach und nach wieder die Bilder vor meinem inneren Auge, und ich sehe mich plötzlich wieder in einer Bar in Südamerika, in einem Bus in Australien oder einem Restaurant in Laos sitzen und schreiben.

Ich sehe diese Situationen klar und deutlich vor mir. Trotzdem beschleicht mich bei fast allen Tagebucheinträgen so ein seltsames Gefühl. War das wirklich ich, der das geschrieben hat? Sind es meine Erfahrungen und Gedanken, die da mal ausufernd, langatmig und dann wieder hektisch und nur in Stichworten niedergeschrieben sind?

Am Anfang des zweiten Buches (eigentlich dritten – nur wurde mir Nummer eins in Südamerika gestohlen) gibt es eine Liste, in der ich alle Orte notiert habe, die ich besucht habe. Ich kann mich an jeden einzelnen davon erinnern. Allerdings kommt es mir manchmal vor, als hätte ein ganz anderes Ich diesen Ort damals besucht, durch dessen Augen ich gucken durfte.

Gut sechs Jahre ist die Weltreise inzwischen her. Allerdings ist das nicht der Grund. Schon kurz nach meiner Rückkehr erschien mir das Ganze völlig surreal, als hätte ich mit dem ersten “World Traveller”-Boarding Pass ein anderes Ich bekommen, das ich nach dem letzten Flug wieder abgeben musste. Dafür sprechen auch die Fotos von mir, die unterwegs gemacht wurden. Ich würde anders lachen, finden meine Eltern. Vielleicht haben sie Recht?

Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Felix in mir – Felix der Reisemensch? Kurz habe ich diesen Reise-Felix heute morgen getroffen, als ich einen Freund zum Flughafen gefahren und mir für einen Moment vorgestellt habe, nicht er, sondern ich würde gleich aufbrechen. Der Freund hat diesen Gedanken wohl gespürt – und mir empfohlen, mir einen Job zu suchen, bei dem ich rumreise und Leute entlasse. Im Scherz natürlich – glaube ich.

In diesem Sinne, gute Reise, Reise-Felix!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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