Beziehungsweise Mitmenschen Zeitreisen

Piep / kein Piep

“Nein, ich will kein Handy. Wenn ich das schon sehe. Zwei Menschen unterhalten sich. Aber das ganze Gespräch wird zweitrangig, sobald es in der Tasche piepst , weil irgendwer von irgendwo weit weg eine Nachricht geschickt hat.

Es macht mich aggressiv, wenn ich sehe, wie es manchen Menschen unmöglich scheint, einfach nur da zu stehen und auf die Bahn zu warten, ohne dass sie sofort ihr Mobiltelefon in die Hand nehmen. Keiner guckt mehr, was um ihm herum passiert – alle sind viel zu beschäftigt damit, auf die nächste SMS zu warten.”

Das war ich vor etwa 13 Jahren, irgendwann im Jahr 2000. Ich erinnere mich noch daran, wie meine damalige Freundin mir zum Geburtstag eine Handy-Verpackung schenkte. Es war wirklich nur die Verpackung – innen drin war ein ganz anderes Geschenk. Sie wusste eben genau, wie sie mich erschrecken konnte.

Heute würde das vermutlich immer noch funktionieren. Allerdings nicht mehr, weil ich kein Handy haben möchte, sondern weil ich Angst hätte, dass es das falsche Handy ist. Bei Dingen, die mich täglich begleiten, bin ich wählerisch und mag keine Überraschungen.

Mein erstes Handy habe ich mir im Sommer 2002 gekauft – als einer der letzten in meinem damaligen Freundeskreis. “Ich muss es ja nicht immer mitnehmen”, habe ich mir damals gesagt. “Nur, dass Ihr bescheid wisst: ich habe es nicht immer dabei”, habe ich damals zu meinen Freunden gesagt.

Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, habe ich nicht eins, sondern sogar zwei aktive Handys. Eins privat, eins beruflich. Wenn ich ohne Mobiltelefon aus dem Haus gehe, komme ich mir ein bisschen nackt vor. Allerdings kann das ja manchmal auch ganz reizvoll sein. Auf jeden Fall besser, als wirklich nackt aus dem Haus zu gehen.

In diesem Sinne, piep … piep … piep.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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