Gedankenwelten

Mottoparty und Fotoalbum

Es ist schon ein Phänomen. Klickt man sich im Studi-Verzeichnis so von Profilseite zu Profilseite scheint es kaum noch jemanden zu geben, der seine Seite nicht mit einem Fotoalbum schmückt oder zumindest im Fotoalbum eines anderen verlinkt ist.

Ich finde das faszinierend. Selbst wenn das Profil selber für Nicht-Freunde gesperrt ist, kann man die Fotoalben oft abrufen. Plötzlich ist man dann mitten drin im (inszenierten) Leben eines oder einer völlig Fremden. Man sieht diese Person dann irgendwo am Strand in der Sonne liegend, auf gewollt lustigen Fotoserien mit Freunden oder auch kotzend über einer Kloschüssel, weil er oder sie auf der letzten Party ein paar Bier zu viel gekippt hat.

Besonders seltsam wird es dann, wenn man auf einmal auf der Seite einer verflossenen Liebe oder aber auch eines neuen Dates landet. Man hat erstere vielleicht Jahre nicht gesehen und bekommt nun völlig unkompliziert einen bebilderten Abriss über das seitdem Erlebte des oder der Ex. Oder, ist es das neue Date, sitzt man plötzlich mit am Frühstückstisch der neuen Flamme, noch ehe man es überhaupt gewagt hat, sie wegen einer zweiten Verabredung zu fragen.

Besonders beliebt neben den obligatorischen Abi-Ball-Fotos vom Abi 06 oder gar 07 (ich merke, ich werde alt) sind Bilder von Mottoparties. Thema des Abends ist dann Wahlweise “Bad Taste” oder “Porno”, die Leute tragen also entweder 80er-Jahre-Klamotten oder ziehen sich an wie Zuhälter und Nutten, wobei das eine Thema manchmal durchaus mit dem anderen zu korrespondieren scheint.

Um eine jahreszeitlich bedingte Mottoparty ging es vorhin hinter mir an der Supermarktkasse. Alle müssten sich verkleiden, dröhnte das Mädel hinter mir in ihr Handy. Das gelte auch für Frank. Und er solle sich nicht wieder als Nazi verkleiden, das würde nicht gelten.

Ob Frank nun schlicht ein Nazi ist oder ob das nur seine Standard-Verkleidung ist, weiß ich nicht. Ehrlich gesagt ist mir das gerade aber auch herzlich egal, denn ich war selber gestern auf einer Art Mottoparty und bin noch etwas verkatert: Die Party nannte sich “Oktoberfest” und war ein “Teamevent” der Firma, für die ich arbeite. Das Bier hat jedenfalls geschmeckt …

In diesem Sinne, o zapft is!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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