Gedankenwelten

Kopfkino

Theoretisch ist alles logisch, ganz klar das Bild vor dem inneren Auge. Die Wirklichkeit ist trotzdem meilenweit davon entfernt. Meine Ex-Freundin hat das “Kopfkino” genannt. Auch wenn der Begriff nicht neu ist, sie hat ihn für mich geprägt.

Es ist gefährlich, wenn zwei Leute ihre Gedanken auf diese Art von der Leine lassen. Wenn der Kopf weiterdenkt, ausgehend von einer Idee, die nicht mal richtig sein muss. Plötzlich tauchen Schlüsse auf, die zwar logisch, aber längst nicht richtig sein müssen. Um so dramatischer wird das, wenn vielleicht nicht mal die Anfangsprämisse richtig war. Dann hat man einen großartigen Turm voller Gedanken aufgebaut, dessen Fundament im Prinzip aus bloßer Luft besteht.

Beobachte ich mich selbst aus Sicht eines TV-Kommissars, der ein Verbrechen aufzuklären hat und deswegen logische Zusammenhänge in meinem Handeln sucht, um mich zu be- oder zu entlasten – er würde schnell enttäuscht. Zu oft mache ich Dinge, die völlig unlogisch sind.

Ich gehe einen Umweg, den ich weder mir noch sonst irgendwem erklären kann. Ich treffe Entscheidungen, meist im Kleinen, die sich unter rationalen Gesichtspunkten nicht begreifen lassen. Kurz: jeder Drehbuchschreiber würde verzweifeln, weil ich seine Beweisführung andauernd zu nichte mache mit Handlungen, die keinen dramaturgisch-logischen Ausgangspunkt haben.

Zugleich erwische ich mich aber auch immer wieder dabei, wie ich anderen diese Irrationalität abspreche. Zu oft bastel ich an meinen geistigen Kinofilmen, um mir das Verhalten anderer Menschen zu erklären. Gefährlich natürlich besonders, wenn mein Kopfkino dann sogar mein Handeln steuert. Dabei weiß ich doch: egal wie gut am Ende alles zusammen passt, was ich mir ausmale, letztlich kommt und war es doch ganz anders. Das Leben ist nun einmal nicht logisch – und funktioniert erst recht nicht nach Drehbuch.

In diesem Sinne, öfter mal den Fernseher ausschalten!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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