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Bewusst verschollen

Es gibt Menschen, die verschwinden einfach. Ich meine nicht, das klassische Zigaretten-holen-gehen und nie wieder auftauchen. Im Gegenteil, die meisten dieser Leute wären wohl leicht wieder aufzuspüren. Oft sind sie nur einen Anruf entfernt, oder man hat sogar irgendwo noch eine Adresse stehen. Selbst wenn nicht, würden Google, StudiVZ, Facebook und Co die Suche leicht machen. Doch man sucht nicht.

Ich habe eine ganze Reihe sehr guter Freunde, die ich zum Teil sehr selten sehe. Selbst Telefonate und Emails sind selten. Trotzdem funktioniert es, zum Teil schon seit gefühlten Ewigkeiten. Andere Leute waren mir einmal sehr nahe und sind dann, plötzlich oder nach und nach, wieder aus meinem Leben verschwunden. Manchmal gab es einen Anlass, nicht selten war gekränkte Eitelkeit im Spiel, in einigen Fällen weiß ich nicht mal, woran es gelegen hat, dass wir uns aus den Augen verloren haben. Oft ist es eigentlich schade.

Trotzdem denke ich, dass es wohl nur so funktioniert. Im Laufe seines Lebens lernt man immer wieder neue Menschen kennen. Manche kommen einem näher als andere, einige werden sogar irgendwann zu Freunden. Man investiert, Gefühle etwa und nicht zuletzt Zeit. Gerade die ist aber begrenzt. Dann wieder driften einfach die jeweiligen Lebenswelten immer weiter auseinander, und man muss irgendwann feststellen, dass man sich eigentlich gar nichts mehr zu sagen hat.

Dass das vielleicht gar nicht immer schlecht ist, merkt man spätestens dann, wenn man wirklich einen alten Freund, eine alte Freundin in einem der zahlreichen Netzwerk-Seiten wieder findet (oder wieder gefunden wird). Man ist sich fremd, selbst wenn einem das Gesicht im anfänglichen Überschwang noch so vertraut erscheinen mag. So ist es zumindest meistens, glaube ich.

Trotzdem bin ich bei manchen Menschen traurig, dass sie sich irgendwie aus meinem Leben geschlichen haben. Besonders, wenn sich mir der Grund für dieses bewusste Verschollen-sein partout nicht einfallen will. Habe ich etwas falsches gesagt oder getan? Passte es einfach nicht mehr? Vielleicht werde ich das nie erfahren. Aber vielleicht gibt es auch Menschen, die irgendwann keinen Platz mehr in meinem Leben hatten, ohne dass sie jemals wirklich begriffen haben, warum.

In diesem Sinne, ruhig auch mal vom Zigaretten-holen wiederkommen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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