Gedankenwelten

Knutschgeräusche

Sie war ganz eindeutig Amerikanerin, er könnte Australier, aber auch Engländer gewesen sein. So genau konnte ich den Akzent nicht zuordnen. Viel gesprochen haben die Beiden aber ohnehin nicht, das meiste war zudem geflüstert. Nicht etwa aus Rücksicht, vielmehr schien es wohl einfach zur Situation dazu zu gehören. Unpassend war dagegen die Lokalität: die schmale Bank zwei Meter von mir entfernt, direkt gegenüber der Rezeption.

Dem kargen Wortwechseln nach hatten sich die Zwei sich vor nicht all zu langer Zeit in Berlin kennen gelernt. Beide waren auf der Durchreise, das Ganze offenbar eine dieser Traveller-Affären, bei der beide sich vorheucheln, unendlich verliebt zu sein, obwohl beide wissen, dass diese Verliebtheit spätestens beim nächsten unerwarteten Wiedersehen auf dem “Europe on a shoestring”-Trail einen schalen Beigeschmack haben würde. Laut sagen darf man das freilich nicht.

Das ist aber auch nicht weiter tragisch. Schlimmer dagegen waren die Geräusche, die das junge Paar produzierte, als es zum ernsthaften Knutschen überging. Wie gesagt, ich saß nur ein kleines Stück von den Beiden entfernt. Dabei weiß ich nicht mal genau, woran es eigentlich lag. Ich finde Knutschgeräusche (zumindest von anderen) generell einfach furchtbar!

Vielleicht ist es dieser penetrante Soundteppich, der sich dabei so unignorierbar in den Raum legt. Oder einfach dieses kontinuierliche, aber unregelmäßige Schmatzen, dass beim Rumknutschen beinahe zwangsläufig entsteht?

Böse Zungen mögen nun behaupten, ich sei einfach eifersüchtig, und vielleicht haben sie sogar recht. Ist schon etwas her, dass ich das letzte Mal selber der Geräuscherzeuger war. Trotzdem gibt es nicht viele Geräusche, die nerviger sind, als das Hintergrundrauschen, dass ein vermeintlich frisch verliebtes Paar produziert. Komisch eigentlich, oder?

In diesem Sinne, einfach mal die Ruhe genießen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Du hast ja sooo Recht ;-) Und jetzt stell dir vor, du lebst auch noch mit den beiden in einer WG, so wie ich! :-(((
    In diesem Sinne: Genervte Grüße,
    Mirjam

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