„Manchmal glauben wir, bevor wir mit dem Leben weitermachen können, müssen wir erst die Vergangenheit ordnen. Aber das stimmt gar nicht. Da kämen wir ja überhaupt nicht vom Fleck.“ Frank Bascombe, der diese Worte sagt, ist 55 Jahre alt und eine Romanfigur. Erfunden hat ihn Richard Ford, ein amerikanischer Schriftsteller und ihm mit „Die Lage des Landes“ bereits das dritte Buch gewidmet.
Die Vergangenheit ordnen, bevor man weitermacht, das kommt mir bekannt vor. Gerade wenn ich innerlich im Ungleichgewicht bin, bilde mir ein, durch das Sortieren meiner Umwelt auch meine Gedankenwelt strukturieren zu können. Bis zu einem gewissen Punkt ist es sicherlich auch richtig, übertrieben wird das Aufräumen aber irgendwann zur kontraproduktiven Tätigkeit. Denn leider – oder zum Glück – ist das Leben ständig in Bewegung. Stetiges Hinterherräumen macht da nur bedingt Sinn.
Ich glaube, die meisten Menschen sind Kontrollfreaks. Wir mögen es, wenn die Dinge in geordneten Bahnen laufen. Leider werden wir dabei immer wieder von der Wirklichkeit überrascht, die sich aller Naturwissenschaft zum Trotz nicht jedes Zufalls und jeder Unvorhersehbarkeit berauben lässt. Welche unglaubliche Zeitverschwendung, es dennoch immer wieder zu versuchen.
Berufsbedingt bin ich mittlerweile recht gut darin, auf Reisende aller Art zu schimpfen. Dennoch gibt es einen kleinen Teil von Travellern, die ich bewundere (interessanterweise habe ich die meisten davon in Südamerika getroffen, aber das nur am Rande): nämlich diejenigen, denen es gelingt, mit der Strömung zu treiben, ohne zugleich die eigene Richtung zu verlieren. Sie kleben nicht an dem, was sie sich einmal überlegt haben. Ihr Sortierwahn hält sich meist in Grenzen, ohne dass sie deswegen gleich ganz und gar unreflektiert vor sich hin lebten – wenn auch freilich diese Gefahr besteht.
Vermutlich liegt auch hier, wie bei so vielen Dingen, der optimale Weg irgendwo in der Mitte. Der sortierende Blick zurück ist in Maßen eine durchaus sinnvolle Angewohnheit. Zu viel Aufräumen aber hält dann doch zu sehr vom Wesentlichen ab und versperrt letztlich den Weg zum eigentlichen Ziel. Oder anders formuliert: wer andauernd sein Gewürzregal sortiert, der läuft Gefahr, dabei das Abendessen anbrennen zu lassen.
In diesem Sinne, guten Appetit!