Gedankenwelten

Familienbande

Wir haben den Mietwagen ertränkt. Es war keine Absicht, wir hatten einfach nicht damit gerechnet, dass die Straße so tief unter Wasser stand. Außerdem haben wir noch Glück gehabt. Im Gegensatz zu einem anderen Wagen, der die selbe Strecke nach uns passieren wollte, sind wir nicht weg getrieben worden. Statt dessen konnten wir uns und sogar den Wagen schiebend auf eine Anhöhe retten.

Ein Schock war es trotzdem. Und ein Erlebnis, an das ich mich immer gerne erinnere, wenn ich an meinen Cousin denke. Das Ganze ist nämlich nicht etwa heute, sondern vor über zweieinhalb Jahren passiert. Ort der Handlung war auch nicht Berlin, sondern eine Landstraße zwischen Takaka und Collingwood auf der neuseeländischen Südinsel. Zu unserem Hostel hatten wir noch gut sechs Kilometer zu laufen, Teile der Strecke hatten zudem durch weitere überflutete Straßensenken geführt, an denen uns das Wasser teilweise bis zur Brust reichte. Irgendwie haben wir es geschafft. Sicher eine Nacht, an die ich noch lange denken werde.

Ich weiß trotzdem nicht genau, wieso ich gerade jetzt darauf komme. Vielleicht, weil es draußen regnet und weil ich erst kürzlich mit meinem Cousin telefoniert habe. Er ist sechs Jahre älter, Architekt und in vielerlei Hinsicht ganz anders als ich. Wo ich noch überlege und plane, ist er meist schon unterwegs. Sehe ich das große Ganze, sieht er den Moment, und was sich aus meinem Mund nach “Problem” anhört, klingt bei ihm eher nach “Herausforderung”. Kurz: er lebt den Optimismus, den ich mir für mich manchmal wünsche. Keine Ahnung, wie er das macht. Ich bewundere ihn dafür.

Trotzdem ergänzen wir uns ganz gut, denke ich. Und was gewisse Grundeinstellungen angeht, scheinen wir in vielerlei Hinsicht recht ähnlich zu ticken. Entsprechend können wir uns gut unterhalten, und da wir wohl beide verhältnismäßig unkompliziert sind, klappt es auch mit dem gemeinsamen Reisen ganz gut. Heute musste ich, wie gesagt, an ihn denken. Mein Masterstudium neigt sich dem Ende zu, und gerade drängen sich so einige Entscheidungen auf, die ich treffen muss und bei denen ich noch nicht sicher bin, von welchen Prämissen ich mich leiten lassen möchte.

Offen sind oder zumindest scheinen im Moment gleich mehrere Wege. Nur bin ich unsicher, welche davon überflutet sind und welche nicht. Auch sind Entfernungen vom Ufer aus immer schwer zu schätzen. Ich denke zu viel und weiß es. Während mein Cousin vermutlich einfach drauf los schwimmen würde, vergeude ich meine Zeit mit dem Lesen von Landkarten.

Andererseits weiß ich nun mal um mein Laster der Konsequenz: Entscheide ich mich für oder gegen etwas, ist es meist von Dauer. Einmal eingeschlagene Wege verfolge ich meist bis zum Ende, auch wenn es einen Umweg bedeutet – oder wenn ich dafür einen Taucheranzug anziehen muss. Das macht Entscheidungen nicht immer einfach.

In diesem Sinne, tief einatmen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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