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Erinnerung (gekühlt)

2016-05-09-USA-Bud

Ein Stück USA liegt bei mir im Kühlschrank. Seit unserer Rückkehr Ende September vergangenen Jahres liegt diese Dose Budweiser im obersten Tür-Fach. Zugegeben: als Erinnerung ist das nicht besonders originell. Schon weil die Vereinigten Staaten als Bierland inzwischen viel mehr als das bieten. Aber wenn man aber den ganzen Tag im Auto gesessen hat und abends vollgestopft mit neuen Eindrücken und totmüde im Motel ankommt, hat man keine Lust auf Experimente. Ein Bett, ein kaltes Bier und vielleicht noch HBO ist dann alles, was man sich wünscht. Nach mehreren Fehlschlägen (“Torpedo” aus Nevada!) bin ich daher irgendwann doch beim 0-8-15-Bier gelandet. Und eben deswegen habe ich es mitgenommen.

Dazu muss ich sagen, dass Lebensmittel neben Fotos und vollgeschriebenen Notizbüchern normalerweise die einzigen “Souvenirs” sind, die für mich in Frage kommen. Ich hasse all den Nippes, den man in den einschlägigen Geschäften bekommt, und der am Ende doch nur im Regal verstaubt. Die Wurst, die man am Abend immer gegessen hat, das besondere Gewürz oder eben das Bier – an so etwas habe ich Freude. Es gibt mir die Möglichkeit, den Urlaub noch ein wenig nachzuschmecken. So zumindest die Theorie.

Praktisch sieht das anders aus. Einerseits haben Lebensmittel ein natürliches Verfallsdatum. Andererseits will man sie ja nicht einfach nur essen (oder trinken). Man will mit ihnen den Urlaub noch einmal neu aufleben lassen, in Erinnerungen schwelgen, sich ganz bewusst in Gedanken noch einmal auf die Reise machen. Das tut man nicht nebenbei, da muss der Moment stimmen. Das Schwierige dabei: wann tut er das schon?

Also liegen die Mitbringsel erstmal im Kühlschrank. Irgendwo tief im Hinterkopf ist man sich ja auch bewusst, dass sie zuhause ohnehin nie so schmecken werden, wie sie das in der Ferne getan haben. Es scheint eine Art Naturgesetz, dass jede Form von Lebensmitteln beim Übertreten einer Landesgrenze ihren Geschmack radikal verändern, normalerweise zu ihrem Nachteil. Perlte der Rotwein beim Sonnenuntergang am Strand von xy noch wie eine Offenbarung auf der Zunge, schmeckt er ein paar Tausend Kilometer weiter weg nur noch pelzig oder schlicht sauer.

Vielleicht ist das der Grund, warum die Dose Budweiser noch immer in meinem Kühlschrank liegt. Offiziell warte ich auf den richtigen Moment. In Wahrheit weiß ich, dass ich enttäuscht sein werde. Egal, wann ich das Bier trinke, ich werde dabei nicht einmal annähernd das Empfinden, was ich nach dem Ankommen im Motel nach ein paar Hundert Meilen auf US-amerikanischen Highways durch das Death Valley oder entlang der 101 am Pazifik empfunden habe.

In diesem Sinne, Käse habe ich übrigens auch noch …

2016-05-09-Käse

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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