Gedankenwelten

EMail-Liebe

Lieben heißt immer auch Verlieren. Das ist einfach so. Wer einen anderen Menschen liebt, der verliert dabei zwangsläufig ein Stück seiner Unabhängigkeit. Das gilt um so mehr, wenn die oder der Auserwählte die Liebe erwidert und sich daraus eine Beziehung entwickelt.

Meist wird der Verlust der Unabhängigkeit ganz gut entlohnt. Nicht umsonst streben die meisten meiner Freunde und Bekannte und wohl auch fast alle anderen danach oder sind längst fest liiert. Sie genießen es, nicht mehr nur ‘ich’ sondern zugleich auch ‘wir’ zu sein. Im Großen und Ganzen kann ich das auch ganz gut verstehen.

Unheimlich finde ich es jedoch, wenn das ‘wir’ beginnt jedes ‘ich’ zu verhindern. Wenn der Verlust ins Bodenlose geht und aus der kleinen (gewollten) Pleite in puncto Selbständigkeit ein handfester Konkurs zu Gunsten der ach so trauten Zweisamkeit geworden ist.

Sie, deren Namen ich jetzt nicht nennen werde, wirkt glücklich in Ihrer Beziehung, zumindest soweit ich das beurteilen kann. Zwar ist es schon seltsam, dass es kaum Fotos von ihr alleine zu geben scheint. Taucht irgendwo eine Kamera auf, schiebt sich wie automatisch ein Arm um ihre Schulter. Der gehört ihrem Freund. Ein netter Kerl, ich kenne ihn mittlerweile ganz gut, denn er ist, wo sie ist, und entsprechend meist dabei. Man gewöhnt sich daran.

Unheimlich fand ich es, als sie mir kürzlich ihre neue Email-Adresse gab. Es war eine lange Adresse, bestehend dem obligatorischen at-Zeichen, dem Kürzel eines größeren, deutschen Kommunikationsanbieters und zwei Namen, die nur von dem Wörtchen “und” getrennt wurden. “Unsere neue Email-Adresse”, kommentierte sie. Darum also, dachte ich, wird das at-Zeichen manchmal auch Klammeraffe genannt. Welch unerwartete Erklärung.

In diesem Sinne, liebes Äffchen, ruhig auch mal etwas Unabhängigkeit wagen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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