Papawelten Zeitreisen

Doppelt Papa oder: Warum ich die Kita nicht mochte und meine Kinder sie lieben

Ich war nicht gerne da. So erinnere ich mich zumindest. Sicher wird es auch gute Tage gegeben haben. Insgesamt ist die Erinnerung an meine Kindergartenzeit aber eher durchwachsen. Dabei war es nicht so, dass ich dort etwas auszustehen gehabt hätte. Die Erzieherinnen (es waren tatsächlich nur Frauen) waren nett und auch mit den anderen Kindern bin ich gut ausgekommen, hatte sogar früh sowas wie dauerhafte Freunde.

Nur war ich damals schon jemand, der gerne auch Zeit alleine verbracht hat. Es gab Tage, da wollte ich nicht mit anderen Kindern spielen. Da wollte ich einfach nur dasitzen und in meinen Lucky Luke-Heften blättern, die ich mir eigens dafür von zuhause mitgebracht hatte. Oder für mich alleine in der Bauecke sitzen und hölzerne Rennstrecken konstruieren. Oder im Sandkasten ergründen, wie tief man eigentlich graben muss, um zum Ende des Sandes zu kommen.

Solche solitären Forschungsambitionen sah das Konzept Kindergarten aber nicht vor. Zwar kann ich mich nicht erinnern, dass die Tage pädagogisch sinnvoll durchgetaktet waren, anders als heute jedenfalls – dazu später mehr. Trotzdem war mein Verhalten in den Augen der Erzieherinnen wohl zumindest seltsam. Aber sie ließen mich gewähren, sieht man der einen oder anderen Gruppenaktivität ab, die es wohl auch damals schon gegeben hat, und an der ich eigentlich nie Spaß gehabt habe.

Wie anders ist das bei meinen Töchtern – und ehrlich gesagt erleichtert es mich etwas. Gerade meine ältere Tochter, die mir in so vielen Dingen fast schon unheimlich ähnlich ist, ist in dieser Hinsicht komplett anders. Schon nach wenigen Tagen im Kindergarten waren es gerade die Gruppenaktivitäten, die Einzug in unseren Alltag zuhause hielten. Wie oft mussten wir zuhause den Morgenkreis nachspielen oder wurden im Spiel wieder zu Kindern, die in den Kindergarten gebracht oder aus diesem abgeholt werden mussten.

Anders als zu meiner Zeit funktioniert das Konzept Kindergarten heute nicht mehr so, dass die Kinder dorthin kommen und spielen, bis die Eltern sie wieder abholen. Es gibt ständig Programm. Neben Fixpunkten wie dem besagten Morgenkreis steht eigentlich immer irgendetwas auf dem Plan: Dinosaurier-Themenwochen, Ausflug in den Zoo oder zu einem der vielen Spielplätze in der Umgebung. Es wird gemeinsam Essen zubereitet, Knete hergestellt oder gebastelt.

Alles Dinge, die mir als Kind ziemlich sicher keinen Spaß gemacht hätten – die meine Töchter aber begeistert aufsaugen und mitmachen.

Dabei bewundere und bestaune ich jeden Morgen aufs Neue, wie sehr meine Kinder den Kindergarten als ihre natürliche Umgebung angenommen haben. Es gibt Tage, da komme ich kaum hinterher, so schnell hat meine ältere Tochter Schuhe und Jacke ausgezogen und ist in ihrer (oder einer anderen) Gruppe verschwunden, um dort ihre beste Freundin zu treffen oder an irgendeinem Bastelprojekt weiterzumachen. Mir bleibt dann höchstens noch, eben in die Gruppe reinzuwinken. Einmal um “tschüss” zu sagen, vor allem aber, um den Erzieherinnen und Erziehern zu signalisieren: hat alles seine Richtigkeit, ich weiß, dass sie hier ist.

Natürlich: es gibt auch Tage, wo das anders ist. Wo sich eine meiner beiden Mädchen nicht wirklich trennen wollen, wo sie keine Lust haben und am liebsten gar nicht erst losgehen wollen. Doch diese Tage sind selten und es wäre wohl auch komisch, wenn es sie nicht geben würde.

Ein weiterer Unterschied zu meiner Kindergartenzeit, über das ich eigentlich bis heute nicht weg bin: Jedes Kind hat einen eigenen Ordner, in dem die Erzieherinnen und Erzieher (hier gibt es tatsächlich beides) immer mal wieder den Alltag in der Kita dokumentieren. Es gibt Bilder von Ausflügen, kurze Geschichten zum Alltag der Kinder und zu besonderen Ereignissen. Diese Ordner werden unglaublich liebevoll gepflegt (wir haben allerdings auch ziemliches Glück mit unserer Kita!) und sind schon jetzt eine wirklich tolle Erinnerung.

In diesem Sinne, noch mehr Papa-Erinnerungen und -Gedanken gibt es hier.

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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