Sagen wir es, wie es ist: Kinder schwitzen Sand. Anders kann ich es mir nicht erklären. Gerade im Sommer ist Sand in der Wohnung allgegenwärtig. Er kriecht unter Türspalten durch, versteckt sich in Sofaritzen, im Bett und in der Küche. Und er wird immer mehr. Man könnte das Kind nach dem Spielplatz auf den Kopf stellen und komplett ausschütteln (was ich natürlich nicht tue, auch wenn ich ziemlich sicher bin, dass meine Dreijährige Spaß daran hätte): spätestens nach fünf Minuten in der Wohnung würde das Kind trotzdem eine neue Sandspur hinter sich herziehen.
Es kann gar keine andere Erklärung geben, als die, dass Kinder irgendwie in der Lage sind, selbstständig Sand zu produzieren und auszuscheiden. Vielleicht liegt es ja an den Hormonen?
Die Wohnung sauber und ordentlich halten mit Kind. Ich erinnere mich an die Zeit, als wir noch zu dritt waren. Einer hat abends das Kind ins Bett gebracht, währenddessen hat der andere im Wohn- und Esszimmer eine Art Grundordnung wieder hergestellt. Für ein paar Stunden war dann tatsächlich alles sauber und ordentlich.
Diese Zeiten sind längst vorbei.
Ich glaube, spätestens mit dem zweiten Kind muss man sich von der Idee, in einem ordentlichen Zuhause zu wohnen, verabschieden. Das gilt zumindest dann, wenn beide Kinder noch klein sind. Praxistauglichkeit geht dann vor Wohnlichkeit. Wenn die Couch ohnehin dauerhaft zum Wickeltisch wird, dann kann die Kiste mit den (sauberen) Windeln auch hier stehen, egal, wie seltsam das aussieht. Dann ist es irgendwann auch egal, wenn man an den unmöglichsten Stellen Pflaster findet („Ich bin eine Ärztin, Papa!“), überall Buntstifthüllen herumliegen oder eben – Sand herausrieselt. Man arrangiert sich eben damit.
In einem der letzten Beiträge habe ich geschrieben, dass ich mich frage, was ich früher eigentlich mit der ganzen freien Zeit gemacht habe. Gleiches gilt für das Thema Ordnung und Sauberkeit. Wie selbstverständlich das damals war! Wie kurzweilig ist dieser Zustand heute? Wie niedrig der Anspruch?
Wenn auch nur für ein paar Minuten alle Spielzeuge in den dafür gedachten Kisten verstaut sind, fühlt sich das schon irreal ordentlich an. Manchmal gelingt es mir dann sogar, die Breiflecken unter dem Tisch zu ignorieren. Die fallen mir natürlich erst jetzt auf, wenn aus dem Brei eine Art Zement geworden ist, dessen Beseitigung ohnehin ein größeres Projekt wäre.
Doch Kinder verändern nicht nur das eigene Ordnungsempfinden. Wenn man sich darauf einlässt, verändern sie auch sonst die Sichtweise auf viele Dinge. Wenn ich beobachte, mit welcher Emsigkeit meine Einjährige neue Dinge untersucht, sie von allen Seiten betrachtet, befühlt und ausprobiert und anschließend irgendwo fallen lässt, beneide ich sie manchmal ein bisschen darum. Für sie ist alles neu, alles ein potenzielles Spielzeug, das nur für sie da ist, egal, welchen eigentlichen Zweck es hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob es tatsächlich ein Spielzeug ist oder vielleicht der Klettverschluss eines Kinderschuhs, den sie auf- und wieder zumachen kann.
Oder meine Dreijährige, wenn sie mir zum siebten Mal erklärt, welcher „Knopf“ an ihrem Roller die Polizeisirene einschaltet und welcher die Musik. Bloß, um mir fünf Minuten später zu erklären, dass der Roller jetzt ein Abschleppwagen ist, der dringend in die Werkstatt muss, weil der Hase sich mal wieder unter der Motorhaube versteckt hat. Diese Phantasie, die in Sekundenschnelle neue Welten entwirft, bloß um diese kurz darauf wieder zu verwerfen, ist beneidenswert.
Eines der derzeit liebsten Spiele ist, Geschenke verpacken. Mit welcher Ausdauer und Geschicklichkeit sie dann mit Schere, Geschenkpapier und Tesafilm hantiert und mit ernster Miene erklärt: „Für Dich, Papa! Heute ist Dein Geburtstag!“. Dass Schere und Kleber höchstwahrscheinlich anschließend liegen gelassen werden, weil eben ein anderes Spiel wichtiger ist – sei es drum.
Kinder haben einen anderen Anspruch an die Ordnung um sie herum. Ich erinnere mich daran, welch bösen Blick ich einmal bekam, als ich es wagte, meine Maus zu bitten, den Spielzeug-Arztkoffer wegzuräumen, mit dem sie gerade gespielt hatte. Jetzt würde sie doch nicht mehr damit spielen, sie habe sich doch gerade die Autos aus der Kiste geholt. „Aber Papa, ich brauche den Arztkoffer doch noch. Die Autos sind doch krank!“. Kinderlogik – was soll ich da noch sagen?
In diesem Sinne, ich bin dann mal beim Brei auf dem Boden!