Es sind ungefähr vierzig Alben. Wahllos durcheinander gestapelt lagern sie in der großen Schrankwand aus braunem Holz, die seit Jahrzehnten im Wohnzimmer meiner Eltern steht. Greift man wahllos das eine oder andere raus, findet man Babybilder von mir und meiner Schwester, Urlaubsfotos aus Österreich und Holland und Aufnahmen von Geburtstagen und Familienfeiern, an die ich mich längst nicht mehr erinnern kann, vermutlich auch, weil ich ins Bett geschickt worden war, als es anfing, lustig zu werden.
Es gibt Bilder von meinem Vater, wie er stolz vor seinem neuen Auto steht oder von meiner Mutter, die entsprechend der damaligen Mode durch riesige Brillengläser in die Kamera lacht. Die Alben sind fast alle mit Jahreszahlen beschriftet: Urlaub 1980, August 1981 bis März 1982, usw. Manche enthalten neben den Fotos Ausschnitte aus Prospekten oder Zeitungsartikel, manchmal ergänzen kleine Zeichnungen das Bilderarrangement. Ein ganzes Regal voller handlicher Zeitmaschinen.
Blättere ich die Alben heute durch, bin ich überrascht, dass ich damals wirklich blonde Locken hatte. Noch kurioser finde ich allerdings, dass meine Eltern auf den Bildern in manchen Alben nicht viel älter sind als ich es heute bin. Und je länger ich blätter, desto mehr frage ich mich, warum ich mich eigentlich lange nicht so alt fühle, wie meine Eltern sich wahrscheinlich gefühlt haben, als sie so alt waren, wie ich jetzt bin?
Nächstes Jahr werde ich 30, einige meiner Freunde haben diese Grenze längst hinter sich gelassen oder stehen kurz davor. Manche wohnen mittlerweile in Eigentumswohnungen oder denken sogar darüber nach, ein Haus zu bauen. Gedanken, die mir zumindest im Moment seltsam surreal erscheinen. (Meine Mutter war 28 als sie das Projekt Hausbau mit meinem Vater in Angriff genommen hat – so alt wie ich heute).
Ich fühle mich weder alt noch sehne ich mich danach, sesshaft zu werden. So viele Pläne, die ich noch verwirklichen möchte und zu denen weder ein Eigenheim noch Bausparvertrag passen. Lange gingen die meisten meiner Freunde d’accort mit mir.
Heute dagegen komme ich mir damit manchmal vor, wie eine bedrohte Spezies. Ob das gut oder schlecht ist, möchte ich an dieser Stelle offen lassen. Wer weiß, was meine (zugegeben: bisher weder geborenen noch gezeugten) Kinder in 30 Jahren sagen, wenn sie meine Fotoalben durchblättern?
In diesem Sinne, frohes Zeitreisen!
Felix Sommer ’81 – ich finde, du bist uns eine Kostprobe schuldig :-)!
Ooooch, hab mich eigentlich nicht so verändert ;-)
Viele Ziele und sowenig Zeit ;-)
Ich glaube, Ian Anderson von Jethro Tull hat das mal schön zusammengefasst in einer Ballade, die folgendermaßen endet:
And he was too old to Rock’n’Roll but he was too young to die.
No, you’re never too old to Rock’n’Roll if you’re too young to die.