Gedankenwelten

Die flüchtige Stadt

Es war, wie ich es prophezeit hatte: der selbe alte Tresen in derselben alten Kneipe und wieder mal zwei Bier mehr als geplant. Das Wiedersehen mit dem besten Freund war trotz der Kopfschmerzen am nächsten Tag ein Highlight des weihnachtlichen Besuchs in der alten Heimat.

B. und ich kennen uns schon seit Jahren. Wir haben mehrere Urlaube zusammen gemacht, in denen wir mit seinem kleinen Nissan Micra quer durch Europa gefahren sind (und jedes Mal haben wir vorher die halbe Rückbank ausgebaut, um Zelt, Kochgeschirr und Co unterbringen zu können). Wir wohnen in zwei ganz unterschiedlichen Ecken von Deutschland und auch wenn wir manchmal gefühlte Ewigkeiten nichts von einander hören, hat das unserer Freundschaft nie einen Abruch getan.

Ich habe viele Bekannte, aber wenige wirkliche Freunde. Letztere weiß ich nicht erst seit ich in Berlin wohne zu schätzen. Trotzdem denke ich manchmal, dass gerade das Leben und Arbeiten hier dazu prädestiniert ist, mir den Wert solcher Freundschaften immer wieder vor Augen zu führen.

Berlin ist, so scheint es, eine Stadt der flüchtigen Begegnungen, wobei flüchtig nicht unbedingt nur einen Zeitraum von Sekunden umschreibt, sondern durchaus mehrere Wochen umfassen kann. Es gibt Leute hier, mit denen habe ich über zum Teil Monate eng zusammen gearbeitet oder gelebt habe und am Ende sind sie wieder aus meinem Leben verschwunden, ohne die geringste Spur zu hinterlassen.

So blöd das klingt, manchmal stoße ich in meinen Notizbüchern auf Namen, zu denen mir im ersten Moment weder ein Gesicht noch sonst eine Verbindung einfällt.

Woran liegt das?
Wieso werden einzelne Menschen zu Freunden, denen man sich auch über hunderte oder tausende Kilometer hinweg nahe fühlen kann, während andere vielleicht nur drei Häuser weiter wohnen und die trotzdem irgendwann wieder nur ein Punkt am Horizont sind, wenn überhaupt?
Ein deutscher Schriftsteller, dessen Name mir gerade entfallen ist, hat einmal geschrieben, es gäbe Freundschaften, die im Himmel beschlossen und auf Erden vollzogen werden. Vielleicht hatte er recht?

Mir ist immer etwas unwohl wenn es um Dinge wie Schicksal geht. Nichts desto trotz mag ich die Idee, dass manche Menschen vielleicht einfach zu einem passen und deren Freundschaft so betrachtet tatsächlich eine Art Bestimmung wäre. Zumindest ein paar davon habe ich bislang gefunden, glaube ich, und das ist eigentlich ein ganz schöner Gedanke.

In diesem Sinne, auf die Freundschaft!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

1 Kommentar Neues Kommentar hinzufügen

  1. Ich sitze gerade vor meinem Computer und kriege ganz rote Ohren. Ich fühle mich sehr geehrt.
    Schöne Grüße auch vom Micra, der ist auch schon ganz rot ;-)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert