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Der Mann

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Es gibt da etwas, das ich nicht verstehe. Vielleicht, weil ich zu besitzergreifend bin. Verbal. In der Praxis bin ich eher unkompliziert. Trotzdem habe ich immer schon von “meiner Freundin” gesprochen, wenn ich “meine Freundin” gemeint habe.

Dass es sich bei “meiner” um ein Possessivpronomen handelt, ist mir durchaus bewusst. Nicht zwangsweise drückt ein Possessivpronomen allerdings ein Besitzverhältnis aus, wie es etwa bei “mein Haus, mein Auto, meine Jacht” gegeben ist.  Possessivpronomen dienen laut Definition dazu, ein Abhängigkeitsverhältnis anzuzeigen. Bei einer Beziehung würde ich behaupten, ist dies durchaus gegeben – beidseitig und im positiven Sinne.

Dennoch scheinen gerade online-affine Menschen Wörtchen wie “mein” oder “meine” zu meiden wie der Teufel das Weihwasser. Statt von “meinem Freund” ist in Blogs oder bei Twitter oft von “dem Freund” die Rede. Manchmal wird auch noch unpersönlicher einfach nur von “dem Mann” geschrieben. (“Die Frau” oder “Die Freundin” sind deutlich seltener, bei Männern sind Beziehungen in Tweets oder Blogeinträgen einfach viel weniger präsent.)

Warum ist das so? Bei “der Mann” bedient sich die Autorin grammatikalisch gesehen eines bestimmten Artikels ohne sich allerdings auch in der Realität auf einen bestimmten Mann festzulegen. “Der Mann” kann genau so gut eine zufällige U-Bahn-Begegnung sein wie der feste Freund der besten Freundin.

Dass “der Mann” tatsächlich “ihr Mann” ist, darf der Leser vermuten, aber offenbar niemals sicher wissen. Anders kann ich es mir nicht erklären. Warum sonst sollten so viele Menschen so große Angst vor einem Wort wie “mein” haben?

In diesem Sinne, ich grüße alle meine Leser!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

2 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Die Diskussion hatte ich neulich mit meiner Mutter am Küchentisch, weil ich mich dessen auch bediene.

    Ich bin sicherlich nicht repräsentativ für die gesamte Blogosphäre, hier aber meine Gründe: mit Bloggen ist eine gewisse Öffentlichkeit verbunden. Ich habe das für mich persönlich gewählt und finde es in Ordnung. In meinem Blog geht es um mich und mein Leben – “der” Freund gehört dazu, aber auf einer anderen Ebene. Wir machen Dinge zusammen und wenn ich über diese Dinge schreibe, dann werde ich ihn da nicht künstlich rausformulieren, möchte aber trotzdem zeigen, dass es in dem Beitrag nicht um ihn oder unsere Beziehung gehen sollte.
    Im echten Leben habe ich keine Angst vor dem Wörtchen “mein” oder benutze direkt seinen Vornamen (der auf meinem Blog nicht zu finden ist und den ich aus Kommentaren auch ggf. rauseditieren würde), alles kein Thema. Beim Bloggen und Twittern hoffe ich, dass der geneigte Leser die von mir durch das “der” bewusst eingeführte Distanz zu erkennen und folgerichtig zu interpretieren, dass ich über diese Tiefen meines Privatlebens nicht so öffentlich schreiben möchte.

    1. Finde ich eine interessante Argumentation, danke für den ausführlichen Kommentar. So habe ich das bisher noch nicht gesehen, kann Deinen Gedankengang aber ziemlich gut nachvollziehen.

      Dennoch finde ich, dass so ein “der” irgendwie distanziert klingt. Oder ist das eher etwas nur in meinem Kopf? Und – wenn ich fragen darf – wie sieht das Dein Freund, dass er “der” Freund ist?

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