Gedankenwelten

Bisswunden beim Sex

Eine Sache, die ich an meinem Nebenjob mag, ist, dass man so viele unterschiedliche Menschen trifft, die einem so viele unterschiedliche Dinge erzählen.
Eine Sache, die mich an meinem Nebenjob manchmal nervt, ist, dass ich diese Dinge gar nicht immer hören will.

Es ist schon eine Weile her, da hat mir ein Ire Bisswunden zeigen wollen, die ihm seine Freundin beim Sex zugefügt hatte. Er hat mir fast ein wenig leid getan. Ein kleiner, sehr schmächtiger Typ, der die ganze Zeit wirkte, als wäre er ein wenig verloren in der Welt. Später hat er sich dann beklagt, dass er sich immer viel zu brutale Freundinnen suchen würde.

Ein ebenfalls recht alkoholisierter Amerikaner dagegen fing kürzlich ganz harmlos an. Seit vier Monaten sei er unterwegs, jetzt würde er überlegen, ob er nicht vielleicht doch wieder nach Hause fliegen sollte. Andererseits wäre da diese Party in Holland, zu der er eingeladen wäre.
Klang anfangs wie eine ganz gewöhnliche Krise nach ein paar Monaten on the road … Nach gut 20 Minuten betrunkenem Geplänkel rückte er dann aber plötzlich mit dem Kern des Problems raus: seine kleine Tochter hätte ihm am Telefon erzählt, sie würde ihn vermissen, er hätte doch außerdem eigentlich das Sorgerecht, usw.
Ich werde das Gespräch jetzt nicht im Detail wiedergeben, nichts desto trotz habe ich mich schon ein wenig überfordert gefühlt. Was soll man in so einem Moment raten? Und wie reagiert man, wenn jemand ernsthaft Freibier mit dem Glück seines Kindes aufzuwiegen versucht?

Zum Glück gibt es da auch ganz einfache, eindeutige Situationen. Wie vorgestern, als ich gleich sechs junge Männer unter Androhung eines mittelgroßen Polizeieinsatzes vor die Tür befördern durfte. Die Typen hatten sich nach einem Fußballspiel überlegt, dass der Weg nach Brandenburg nachts dann doch etwas zu weit wäre. Statt also in die Bahn zu steigen, hatten sie es sich im Aufenthaltsraum bequem gemacht. Als ich sie schließlich weckte und nach draußen dirigierte, wollten sie nicht groß reden, sondern machten sich nur Sorgen um die verschollen geglaubte Vereinsfahne. Auch mal nett.

In diesem Sinne, viel Spaß beim Trinken und Erzählen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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