Man sollte ja meinen, dass Sport irgendwie motivierend wirkt, vielleicht sogar ein wenig abfärbt und so nicht nur diejenigen etwas davon haben, die selber sporteln, sondern vielleicht auch die, die mit ihnen auf engstem Raum zusammen wohnen (müssen). Denkste! Im Hostel jedenfalls funktioniert das nicht.
Zur Zeit sind die Hälfte der Gäste nach 1990 geboren und werden im Computer unter dem Kürzel JtfO geführt: Jugend trainiert für Olympia. Lauter Schüler aus allen Teilen Deutschlands, die für ein paar Tage nach Berlin gekarrt wurden, um hier in den unterschiedlichsten Sportarten gegeneinander anzutreten. Im Großen und Ganzen sehr angenehme Gäste: weil der Wettkampftag schon früh am morgen beginnt, schlafen die Olympioniken in der Regel schon, wenn ich um elf meine Schicht beginne. Auch sonst sind die meisten sehr umgänglich. Es scheint fast als würde ihnen der sportliche Anspruch eine gewisse Würde verleihen.
Ganz anders einige der anderen Gäste. Es muss gegen drei gewesen sein als „mein Freund“ durch die Tür taumelte. Volltrunken, wie schon in den Nächten davor, hielt er sich schwankend an der Rezeption fest und erzählte. Erst fröhlich, wohl vom Alkohol beschwingt, dann traurig und schwerst heimwehkrank, wie er selber zugab. Berlin sei großartig, viel besser als Elllllll Eyyyyyy, wo er herkomme. Aber seine Tochter würde er vermissen. Schließlich habe er das Sorgerecht. „Five days a week I am her Daddy, two days not“. Ob er nicht doch lieber nach Hause fliegen sollte?
Eine gute Stunde lang pendelte der Mittzwanziger zwischen diesen beiden Extremen hin und her, gestikulierte heftig und – alkoholbedingt – leicht zeitversetzt dazu und erwartete offenbar von mir eine Entscheidung, ob er weiter in Europa rumreisen oder doch lieber back to the states fliegen sollte.
Das meist recht einseitige Gespräch, er redete, ich versuchte nebenbei zu arbeiten, dauerte etwa eine Stunde. Dann ließ sich mein Freund ablösen. Nachdem er sich von mir erklären lassen hatte, wo er um die Zeit noch eine offene Kneipe und ein paar Gleichgesinnte finden könnte, zog er los. Freilich nicht ohne den Staffelstab an einen Landsmann zweifelhaften Geisteszustandes übergeben zu haben. Es war, um das Ganze abzukürzen, eine Art Night of the living drunks …
Zumindest bis gegen sechs. Als die ersten JtfO-Kids durchs Haus und in Richtung Frühstück tigerten, man durch den Regen Sonnenlicht erahnen und den beginnen sehen konnte, verzogen sich die Betrunkenen endlich und hastig in Richtung Bett.
Wer weiß, vielleicht ist Sport ja ansteckend?
In diesem Sinne, immer schön Impfen lassen!