Gedankenwelten

Adressbuch

Manchmal kann ich es selber kaum glauben, dennoch habe ich noch eins: ein kleines, schwarzes und vor allem, papierenes Adressbuch. Trotz Handy-Telefonbuch und Email-Verzeichnis. Vier Seiten pro Buchstabe, vollgeschrieben mit den unterschiedlichsten Stiftarten und voll durchgestrichener Nummern und Adressen, die dann mit neuen Nummern und Adressen ersetzt wurden. Oder gar nicht.

Zugegeben, oft nutze ich das Adressbuch nicht mehr. Will ich jemanden anrufen, ist es oft einfacher, entweder direkt das Handy zu benutzen oder zumindest dort die Nummer nachzuschlagen. Briefe schreibe ich oft (nicht immer) mit dem Computer, dank copy und paste lohnt es auch hier nicht, das kleine Schwarze zu bemühen.

Trotzdem trage ich noch immer fast jede Änderung irgendwann altmodisch per Hand in das Adressbuch ein. So mancher bringt es so mittlerweile auf fünf oder sechs Einträge (siehe „Unendliche Möglichkeiten“ ).
Manchmal muss ich beim Durchblättern überlegen, zu wem eigentlich dieser oder jeder Name gehört. Auf die Art und Weise wird der Weg von A nach U schnell zu einer Reise in die Vergangenheit. Manch schöne Erinnerung, die plötzlich hochgespielt wird, aber auch viele Fragezeichen, die nach dem Zuschlagen des Büchleins in der Luft hängen können. Warum ist eigentlich der Kontakt mit X abgebrochen? Ob Y immer noch dort wohnt? Wollte ich Z nicht längst mal wieder angerufen haben?

Es kann schon erschreckend sein, wie viele und zum Teil liebe Menschen im Endeffekt ein Leben als sprichwörtliche Karteileichen fristen, weil sich unsere Wege irgendwann einfach getrennt haben, oft, ohne dass es mir in dem Moment überhaupt bewusst gewesen ist.

Ich frage mich, in wie vielen kleinen, schwarzen Büchern ich selber verewigt bin – und in wie vielen davon auch ich den Status der Karteileiche für mich beanspruchen kann.

In diesem Sinne, viel Spaß beim Blättern!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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