Frauen Zeitreisen

Zwangsentrümpelt

Die Email ging nicht nur an mich, was ich nicht übel nehme. Mehr als 50 Empfänger waren in der Adresszeile eingetragen, alle bekamen den selben Text: “Mein Handy wurde geklaut und damit auch Ihr. Seid doch bitte so gut und schickt mir noch mal Eure Telefonnummer, damit ich Euch auch weiterhin erreichen kann.”

Seit der Speicher des Mobiltelefons das papierene Adressbuch abgelöst hat, bedeutet der Verlust des Handys oft nicht nur ein materielles Ärgernis. So einfach es ist, mit wenigen Tastengriffen jeden noch so entfernten Bekannten erst auf das Display und anschließend ans Ohr zu zerren, um so frappierender ist es, wenn die digitalisierten Freunde einmal verloren gehen oder gar gestohlen werden.

Zwar mag es durchaus sein, dass man P. ohnehin seit Ewigkeiten nicht mehr angerufen hat, ihn nun aber nicht anrufen zu können, ist trotzdem unangenehm. Und selbst wenn man ohnehin nicht mehr erinnern kann, wer eigentlich “Sandra S.” ist und auch fragwürdig ist, ob die Münchner Nummer überhaupt noch aktuell ist (oder je gestimmt hat), es ärgert einen ja doch, dass man es nun niemals erfahren wird.

Als ich mir vor gut zwei Jahren ein neues Handy gekauft habe, hat es Stunden gedauert, all die Namen und Nummern aus dem alten in das neue Gerät zu übertragen. Trotzdem habe ich selbst die Nummern, bei denen ich erstmal eine Weile überlegen musste, wen ich da eigentlich eintippe, mit übernommen. Zur Sicherheit, habe ich mir damals gesagt. Gebraucht oder gar angerufen habe ich diese Nummern trotzdem nie.

Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass es für Firmen längst günstiger ist, einfach neuen elektronischen Speicherplatz einzukaufen als alte Daten zu löschen. Warum sich da noch die Mühe machen zu entscheiden, was aufbewahrt und was in den Papierkorb verschoben werden sollte. Betriebswirtschaftlich mag das Sinn machen, bezogen auf Freundeskreise ist diese Erkenntnis wohl durchaus anzweifelbar.

Mein Handy wurde nicht geklaut. Trotzdem habe ich kürzlich in einer Hauruck-Aktion eine ganze Reihe von Nummern gelöscht, zwangsentrümpelt quasi, nachdem ich wegen einer vergessenen Tastensperre beinahe eine zwar bekannte, aber trotzdem aus verschiedenen Gründen für mich nicht unbedingt empfehlenswerte Zahlenfolge angerufen hätte. Schon schockierend, welche Nummern mein Handy so alles noch parat hatte. Aber das ist eine andere Geschichte.

In diesem Sinne, ruhig auch mal aufräumen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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