Tresenweisheiten

Zuhören und selber reden

Vorgestern habe ich alleine in einem Cafe um die Ecke gesessen und ein Bier getrunken. Obwohl schon nach zehn war es noch verhältnismäßig warm und ich konnte draußen sitzen. Besonders voll war es in dem Cafe nicht, außer meinem Tisch waren vielleicht noch drei oder vier weitere Tische besetzt. Unmittelbar vor mir saßen zwei junge Frauen, beide Mitte bis Ende 20 also mein Alter. Die beiden unterhielten sich angeregt und ziemlich laut. Obwohl ich eigentlich zum Schreiben in das Cafe gekommen war, konnte ich nicht anders, als dem Gespräch zuzuhören.

Eigentlich ging es um ganz banale Dinge: wer gerade mit wem im Bekanntenkreis, berufliche Perspektiven usw. Eine der beiden hatte sich zudem offenbar gerade selbständig gemacht, eine Art Galerie oder so etwas, und bestritt den größten Teil des Gesprächs. Sie erzählte von der Renovierung des Ladenlokals, vom Freund, der ihr geholfen hatte und von den Ideen, die sie für ihren Laden hatte. Die andere, wenn sie denn zu Wort kam, erzählte im Gegenzug von ihrem Leben, einem geplanten (oder bereits gemachten?) Wochenendtrip und von der komplizierten Beziehung einer gemeinsame Bekannte.

Wie gesagt, an sich ein ganz banales Gespräch. Was mich ein wenig erschreckt hat war nur, wie sehr die Beiden aneinander vorbei geredet haben. Keine der beiden schien sich mit mehr als mit einem halben Satz auf das zu beziehen, was die andere gesagt hatte. Statt dessen schienen beide die Antwort der jeweils anderen immer nur als lästige, aber eben notwendige Unterbrechung des eigenen Erzählflusses zu begreifen.

Ich fand das in dem Moment furchtbar traurig, denn die beiden Frauen schienen mir eigentlich recht gute Freundinnen zu sein. Dennoch unterhielten sie sich offenbar nur miteinander, um möglichst viel von den eigenen Gedanken mitzuteilen. Dabei dürfte doch das, was sie so unbedingt erzählen wollten, ihnen selbst doch schon bekannt sein – die Gedanken der jeweils Anderen dagegen zumindest partiell neues Gedankengut enthalten.

Noch trauriger wurde ich aber, als ich irgendwann angefangen hab, mich selber und meine Umgebung zu hinterfragen. Ich weiß, dass ich auch gerne und oft auch viel rede (obwohl ich mir dennoch einbilde, im Großen und Ganzen auch gut zuhören zu können); in dem Moment kam es mir allerdings so vor, als würde ein Großteil der zwischenmenschlichen Kommunikation, nicht nur zwischen diesen beiden Frauen, sondern insgesamt, letztendlich auf eitler Selbstdarstellung beruhen. Jeder unterhält sich, um seine Gedanken mitzuteilen, nicht um die des anderen zu hören.

Warum ist das so?
Ich habe unter anderem Kommunikationswissenschaften studiert, sollte also zumindest die eine oder andere Theorie aus dem Ärmel oder zumindest aus einem alten Ordner schütteln können, die dem Ganzen trotzdem einen Sinn und eine Notwendigkeit gibt. Leider will mir partout nichts einfallen. Ja schlimmer noch, bei genauerer Betrachtung handelt es sich ja auch bei diesem Blog um nichts anderes: ich teile mit, was ich ohnehin schon weiß und freue mich dann, wenn ich sehe, dass jemand liest, was ich mitteilen will (obwohl mir das Schreiben freilich beim Denken und somit beim Sortieren des Wissens hilft und ich mich auch über jeden Kommentar freue).

Als ich das Cafe nach gut zwei Stunden wieder verlassen habe, orderten die beiden Frauen gerade noch eine Runde Getränke. Dabei redeten sie weiter miteinander ohne einander wirklich zuzuhören. Ich dagegen hatte außer Sätzen wie “ein großes Pils bitte” und “kann ich noch eins haben” den ganzen Abend über gar nichts gesagt. Dafür hatte ich nur zugehört. Auch mal schön.

In diesem Sinne, frohes Lauschen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

3 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Hallo Felix :)

    Damit man selbst zuhören kann, muss ja ein anderer reden… sonst funktioniert das ganze mit der Kommunikation ja irgendwie nicht.

    Problematisch wird es wohl eher, wenn zwei aufeinandertreffen, die beide lieber reden wollen und sich kein Zuhörer findet.

    Vielleicht haben die beiden sich lange nicht gesehen und wollten schnell ihre Erlebnisse austauschen, um sich gegenseitig erst einmal auf den neuesten Stand zu bringen.

    Vielleicht interessieren sie sich aber auch tatsächlich nur für sich und haben gar kein Intersse am Leben der anderen gehabt – dann waren es vielleicht doch nicht so gute Freundinnen.

    Warum schreibt man so einen Blog?
    Um sich selbst darzustellen? Würde man dann nicht aber nur positive Sachen über sich selbst schreiben?

    Um andere zu informieren, was gerade so anliegt bei einem selbst?
    Schon eher. So spart man sich das schreiben von vielen E-Mails.

    Um seine eigenen Gedanken zu sortieren?
    Dann brauch man das aber eigentlich nicht im Internet veröffentlichen. Da reicht ein Blatt Papier oder WORD.

    Ich denke es geht um eine Mischung aus allem. Und dabei ist doch die Kommentar-Funktion im Blog überlebenswichtig…

    Danke, dass ich Zuhören durfte :)

  2. Hey Felix! Ich glaube, es gibt keinen Grund traurig zu sein. Es ist weder schlecht noch gut, wenn Leute viel von sich selbst erzählen oder gar aneinander vorbeireden. Wichtig ist allein die Passung. Soll heißen: Wenn beide sich wohlfühlen, dann ist alles erlaubt :) Oder? Liebe Grüße… Irka

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