Eitelkeiten

Un-cool

Sie stehen in Fußgängerzonen, vor Einkaufszentren und auch gerne in der Nähe von Universitäten. Oft tragen sie auffällig grelle Jacken, und meist sind sie zu mehreren, denn das erschwert ihren Opfern die Flucht.

Ihre Waffe sind kleine, bunte Zettel, die sie mit einem gekünsteltem Lächeln unter die Leute zu bringen versuchen. Normalerweise weiche ich Ihnen aus, heute wäre das allerdings nicht mal nötig gewesen. 

Es war in Friedrichshafen, irgendwo in der Fußgängerzone. Ich hatte gerade eine Jeans gekauft, als ich das Promo-Team sah. Sie waren zu viert, zwei Jungs, zwei Mädels. Sie standen leicht versetzt, so dass sie die gesamte Breite der Einkaufsstraße abdecken konnten. „Party“ stand in großen, schreienden Lettern auf den Flyern, von denen jeder der vier einen Packen in der Hand hielt.

Was sonst noch auf dem Flugblatt stand, weiß ich nicht. Zwar musterten mich gleich zwei der vier Flyer-Verteiler, beide entschieden sich aber nach kurzem Überlegen dafür, mich zu ignorieren. Offenbar zählte ich nicht zu ihrer Zielgruppe. Ich gebe zu, das irritierte mich, denn es war eine neue Erfahrung.

War ich zu alt? Nicht cool genug? Traute man mir „Party“ schlicht nicht zu? Fast war ich versucht stehenzubleiben, um zu beobachten, wer wohl statt dessen in den Genuss der kleinen, bunten Zettel kam. 

Ich habe es mir verkniffen. Schließlich wäre das erst recht uncool gewesen. Außerdem bin ich mittlerweile nun einmal 29 – ein gutes Alter also, um sich über derartige Dinge keine Gedanken mehr zu machen. Da gibt es wichtigeres, sagte ich mir und war damit so beschäftigt, dass ich fast vor das grellbunte Plakat gelaufen bin, dass etwas schief an einem Laternenmast hing.

„Party“ stand darauf in mir wohlbekannten großen, schreienden Lettern. Darüber und etwas kleiner: „Ü-30“.

In diesem Sinne, der erste Gedanke ist wohl nicht immer der Beste!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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