Tresenweisheiten

Über Liebe

“So gesehen ist es doch total widersinnig, eine Beziehung oder sogar eine Ehe auf ein flüchtiges Gefühl wie Liebe aufbauen zu wollen.”

Mein Kumpel G. und ich hatten schon ein paar Bier getrunken, als wir auf dieses Thema zu sprechen kamen. Man sollte wissen, dass G. sich gerade von seiner Freundin getrennt hatte. Allerdings war er es gewesen, der Schluss gemacht hatte – und zwar gerade, weil er hatte eingestehen müssen, dass er seine Freundin nicht mehr liebte.

Dass er mir nun trotzdem ein flammendes Plädoyer für die Vernunftbeziehung und sogar für die arrangierte Ehe hielt, hatte einen anderen Grund: Logik. “Es ist ja nicht so, dass Liebe unwichtig ist”, erklärte er bestimmt, “nur taugt sie auf Basis für eine Bindung, von der man sich wünscht, dass sie jahrelang oder sogar ein Leben lang halten soll? Gäbe es da nicht stabilere Grundlagen?”

Nach kurzem Überlegen musste ich G. zustimmen. Eine Beziehung, die auf etwas so irrationales wie Liebe aufbaute, die konnte nach allen Gesetzen der Logik doch nur in Ausnahmefällen wirklich funktionieren. Zumal es ja am Anfang nicht mal Liebe, sondern pure Verliebtheit war, die einen dazu brachte, sich mit einem Menschen einzulassen, den man sehenden Auges und mit nur ein wenig Nachdenken vielleicht direkt zum Teufel geschickt hätte. Aber Liebe macht ja bekanntlich blind.

Hinzu kommt der Frust: Die unglückliche Liebe. In der Regel ist es doch ein Glücksfall, wenn Liebe erwidert wird. In neun von zehn Fällen ist dem aber nicht der Fall und der Verliebte fällt mehr oder weniger schmerzhaft auf die Nase. Liebe, um es mit den Worten von Frank Lehmann zu sagen, wird allgemein überschätzt!

Macht es tatsächlich nicht deutlich mehr Sinn, sich für eine vielleicht gewöhnungsbedürftige, aber haltbare Vernunftsbeziehung zu entscheiden? Rein logisch betrachtet ist das sicher die bessere Lösung. Dumm nur, dass Liebe nun mal nicht logisch ist. Lösen tut das das Problem aber auch nicht.

In diesem Sinne – Verliebt?

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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  1. Dazu fällt mir nur das Zitat eines Profs zu Wirtschaftspsychologie ein:

    Sogar bei nur vom Zufall abhängigen Ereignissen überschätzen Menschen systematisch dann die Erfolgswahrscheinlichkeit (von Entscheidungen), wenn die Aufgabe Merkmale aufweist, die mit Situationen assoziiert sind, die Menschen aufgrund von Fertigkeiten beherrschen wie etwa Wahl, Anstrengung oder Wettbewerb. Man bezeichnet dies als Kontrollillusion. Allein schon das bloße Nachdenken über ein ungewisses, in der Zukunft liegendes Ereignis erzeugt Kontrollillusion. Ein solches Nachdenken ist auch die Tätigkeit, die man als Planen bezeichnet. Eine Gefahr von Planen ist also, daß es ein unrealistisches Gefühl des „wir haben alles im Griff“ erzeugt.

    Gilt nicht nur für die Wirtschaftspsychologie, sondern wohl generell. Und Liebe ist nun mal das Zufallsprodukt schlechthin, sonst hätte sich doch schon längst wer mit der zugehörigen Formel ne goldenen Nase verdient. Heißt aber bedauerlicherweise auch für die Vernunftehe, dass eine geplante Basis ebenfalls nur ausgewachsene Selbstüberschätzung gegenüber der zukünftigen Realität bedeutet…

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