Desillussionierend Reisewelten

The Rock (Gibraltar)

Sogar das Wetter war britisch. Über zwei Stunden lang hatten wir bis zum Grenzort La Línea in der prallen Sonne im Stau gestanden. Nur ein paar Meter weiter lag Gibraltar trotzdem unter einer dichten, grauen Wolke. Als hätten 400 Jahre britische Herrschaft inzwischen sogar das Wetter beeinflusst. Es hätte mich nicht gewundert, wenn es auch noch geregnet hätte.

Wer Gibraltar besucht, kommt fast automatisch über den den Flughafen. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn die einzige Straße führt direkt über Start- und Landebahn. Eine rote Ampel signalisiert, wenn hier gerade ein Flugzeug landet. In diesem Fall ist der Durchgang verboten. Der einzige Weg, um nicht über das Rollfeld einzureisen, ist per Schiff zu kommen. Oder zu schwimmen, wobei das meines Wissens verboten ist.

Gibraltar ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde. Auf dem gerade mal 6 x 1,2 Kilometern großen Stück Erde leben rund 30.000 Menschen. Dabei ist ein großer Teil der Halbinsel nicht bebaut, sondern wird von dem schon von weitem sichtbaren, 426 Meter hohen Felsberg „The Rock“ eingenommen. Er ist die größte und eigentlich auch einzige Landmarke Gibraltars. Ansonsten ist die britische Enklave einigermaßen langweilig.

Direkt hinter der Grenze weist ein englisches Schild darauf hin, dass es verboten ist, Müll auf den Boden zu werfen. Wer es trotzdem tut, muss 20 Pfund Strafe zahlen. Die betont britischen Pubs in der sauber herausgeputzten Hauptstraße überbieten sich mit „Fish and Chips“-Angeboten. Bezahlt wird in Gibraltar Pfund, das eins zu eins in britische Pfund umgerechnet wird, oder in Euro. Eine Ausnahme ist das Postamt, das seit 2005 den Titel „Royal“ führen darf und ausschließlich Gibraltar Pfund akzeptiert.

Verlässt man die Hauptstraße, wird Gibraltar hässlich. Viele Häuser wirken heruntergekommen. Ein „Senior Club“ wirbt um die Gunst der immer älter werdenden Bevölkerung und weist ausdrücklich darauf hin, das auch Senioren aus anderen Ländern willkommen sind. Zumindest die sichtbare Hauptattraktion des Senior-Club: Spielautomaten, wie man sie aus deutschen Eck-Kneipen kennt.

Es gibt es wahrlich schönere Orte auf dieser Welt als Gibraltar. Und sonnigere. Warum offenbar trotzdem genügend Leute nach Gibraltar reisen, dass es für über zwei Stunden Stau reicht, erfahren wir bei der Ausreise – bei der Einreise war es uns gar nicht aufgefallen. Direkt hinter der Grenze reihen sich die Zigaretten- und Schnapsläden dicht an dicht. Einkaufen auf Gibraltar ist zollfrei möglich – die Packung Marlboro kostet 2,50 Euro.

In diesem Sinne, frohes Rauchen!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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