Gedankenwelten

Schönhauser Allee

Zuerst kam das Sandwich mit Beinen und lud mit Gutscheinen dazu ein, seine Artgenossen zu verspeisen. Dann trat der Hase auf den Plan. Er erzählte etwas von einem neuen Fitness-Studio und schenkte meiner Begleiterin eine Rose. Zum Schluss kam dann die Polizei und sperrte die Straße, damit rund 200 Weihnachtsmänner heil auf ihren Motorrädern die Schönhauser Allee entlang donnern konnten.

Keines dieser Ereignisse ist erfunden. Im Gegenteil: alle drei haben heute zwischen 16:15 und 16:20 Uhr tatsächlich stattgefunden – kaum drei Minuten von meiner Wohnung entfernt. Ganz ehrlich, man beginnt schon sich zu fragen, in was für einer komischen Gegend man eigentlich wohnt.

Wladimir Kaminer hat ein Buch darüber geschrieben. Es heißt nach der Straße, “Schönhauser Allee”, und enthält eine Ansammlung von Beobachtungen und Überlegungen, die alle irgendetwas mit dieser Straße zu tun haben. Angefangen von verschiedenen Episoden über seine vietnamesischen Nachbarn hin zu Stories über diverse Nobelpreisträger, die angeblich regelmäßig mit einigen Schnapsflaschen bewaffnet auf den Bänken an der Ecke Stargarder Straße sitzen, wo sie über und mit Einstein dessen Relativitätstheorie diskutieren.

Ich habe das Buch kürzlich in einem Rutsch durchgelesen. Da ich mehrere Stunden in diversen Arzt-Wartezimmern warten musste, hatte ich Zeit dafür. Zunächst kamen mir einige der Geschichten doch arg weit hergeholt vor. Einstein auf der Parkbank bei mir nebenan? Mickey Rourke, der in den Schönhauser Allee Arcaden ein Messer kauft? Ein russischer Spion, der überlaufen will und die Zwischenzeit wartend am Helmholtzplatz rumsitzt?

Mittlerweile kommt mir das gar nicht mehr komisch vor. Im Gegenteil, es würde mich wundern, wenn es einfach nur ein paar gewöhnliche Alkis wären, die sich ihrem Stoff hingeben. Und vermutlich war auch mindestens einer der motorisierten Weihnachtsmänner in Wirklichkeit ein russischer Spion. Wenn nicht sogar alle.

In diesem Sinne, immer schön die Augen offen halten!

Journalist und Geschäftsführer eines Nachrichtenportals, Indiana Jones, Papa von zwei Töchtern, schreibt hier privat. Mag Hotelbetten, Ernest Hemingway, Berlin, Erich Kästner, Wuppertal, Schreiben mit Füller, schöne Kneipen, dicke Bücher, Fotografieren, scharfes Essen und kaltes Bier.

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